Dem rätselhaften Walsterben auf der Spur
Deutschland, Holland, England, Frankreich: 29 Pottwale sind seit Januar an den Küsten der Nordsee gestrandet. Die Obduktion der Riesen ergab nun Hinweise auf die Todesursache.
Schweres Gerät
Um die Walkörper zu untersuchen, mussten sie geborgen und abtransportiert werden. Das ist "schwierig und faszinierend zugleich", sagt Staatssekretärin Almut Kottwitz vom niedersächsischen Umweltministerium der DW. Ein weiblicher Pottwal wiegt 15 Tonnen, ein Männchen sogar bis zu 60 Tonnen.
Bis auf die Knochen
Danach wurde die Haut des Wals in Streifen geschnitten. Präparatoren entnahmen dann Muskeln, Sehnen und Eingeweide. "Es tut einem in der Seele weh zu sehen, wie diese wunderschönen Tiere gehäutet und auseinandergenommen werden", erzählt ein Beobachter der DW. Nach dieser Prozedur konnte die Analyse beginnen.
Ausgehungert?
Pottwale bevorzugen Kalmare. Die gibt es in der Nordsee normalerweise nicht. Forscher vermuteten deshalb zuerst, dass die Tiere nicht genug Nahrung gefunden hatten - hungrig und geschwächt könnten sie die Orientierung verloren haben und gestrandet sein.
Gut im Futter
Die Obduktion zeigte jedoch, dass die Pottwale gut genährt waren. "In einem Pottwal fanden wir die Ober- und Unterkiefer von etwa 10.000 Tintenfischen", so der Meeresbiologe Uwe Piatkowski vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Das entspricht etwa drei Tonnen Kalmaren, die der Wal noch ein paar Tage vorher vertilgt hatte.
Weitere Analysen
Nun wird geklärt, ob die Mägen der Wale möglicherweise auch Reste von in der Nordsee heimischen Fischen und Kalmaren bzw. Kraken aufweisen. Ursula Siebert von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover vermutet am ehesten Veränderungen der Umwelt als Ursachen für das Walsterben.
Auf Jagd nach dem Futter
Denn Stürme und hohe Temperaturen im Januar könnten sowohl die Wale als auch die Kalmare beeinflusst haben, sodass "die Nahrung weiter südlich anzutreffen war und die Pottwale den Tintenfischen gefolgt und dann in die Nordsee geraten sind," sagt Tiermedizinerin und Zoologin Siebert.
In der Falle
Und dafür sind Pottwale nicht gemacht. In der nur 100 Meter tiefen Nordsee funktioniert ihre Echoorientierung nicht gut - normalerweise tauchen und jagen sie in 500 bis 1000 Meter Tiefe. "Wenn sie in der Nordsee und im Wattenmeer landen, haben sie kaum eine Chance, da wieder heraus zu kommen", so Siebert.
Und der Mensch?
Naturschützer warnen immer wieder, dass Unterwasserlärm durch Schiffe oder andere menschliche Aktivitäten Meeressäugetieren schaden. Das hält Meeresbiologe Piatkowski in diesem Fall aber für unwahrscheinlich. "Mindestens seit dem 16. Jahrhundert sind Pottwal-Strandungen in der Nordsee dokumentiert - da gab es noch keine Motorschiffe oder Windparks."