Debatte um Frauengesetz im Kabuler Parlament
8. März 2013Drei Jahre ist es nun her, dass der afghanische Präsident Hamid Karzai das Dekret zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen unterzeichnet hat. Das Dekret soll Frauen mehr Freiheiten einräumen und vor Gewalt schützen. Seine Verabschiedung im Parlament, womit es Gesetzeskraft erlangen würde, steht aber noch immer aus. Dennoch können die Gerichte das Dekret schon als Grundlage für ihre Arbeit benutzen. Gegner des Dekrets beziehungsweise Gesetzes kritisieren vor allem, dass es der Scharia, der islamischen Rechtssprechung, widerspreche.
Die andere Seite rekrutiert sich hauptsächlich aus den Reihen der derzeit 68 weiblichen Abgeordneten, denen ein Viertel der Sitze reserviert ist. Sie versuchen, eine moderne Auslegung des Islam mit dem Gesetz in Einklang zu bringen.
So auch die Abgeordnete Masooda Karochi. Sie kritisiert ihre Gegner scharf: "Das sind alles Fundamentalisten und Extremisten!" Ihre Anwesenheit im Parlament mache eine konstruktive Diskussion unmöglich. "Wenn ein Verrückter protestiert, dass dieses Gesetz gegen die Scharia ist, können Sie sich ja vorstellen, welche Folgen das hat", so die Abgeordnete.
Umstrittenes Heiratsalter
Masooda Karochi fasst eine Argumentationslinie ihrer Gegner so zusammen: Schläge und Beschimpfungen dürften nicht als Gewalt gegen Frauen gezählt werden. Denn sonst würden sich Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden seien, bei den Behörden beschweren. Jedoch seien Beschimpfungen und Schläge die Norm in Afghanistan. Das Gesetz hätte also zur Folge, dass zu viele Familien auseinanderbrechen würden.
Im Gesetzentwurf wird das Mindestalter für Heiraten auf 16 Jahre festgelegt. Auch dies ein Dorn im Auge der Gegner im Parlament. Sie begründen ihre Ablehnung so: Laut Islam bestimmt der Beginn der Pubertät, wann ein Mädchen heiratsfähig ist. Und die Scharia schreibe vor, dass der Vater des Mädchens über die Heirat bestimmen könne.
"Gewalt wird noch angefacht"
Weitere Provokation des Gesetzentwurfs: Frauen soll es erlaubt sein, arbeiten zu gehen. Der Abgeordnete Sayed Hossain Alemi Balkhi hält dem entgegen: "Der Islam sagt, dass eine Frau ohne die Erlaubnis ihres Mannes nicht außerhalb des Hauses arbeiten darf. Es wurde gesagt, dass der Mann alle Bedürfnisse der Frau befriedigen soll. Wenn dies gewährleistet ist, dann hat der Mann doch wohl das Recht, von seiner Frau zu erwarten, dass sie Erlaubnis einholen muss, um das Haus zu verlassen."
Für ihn sei das alles Propaganda, so Balkhi weiter. Mit Propaganda meint er die Bemühungen von Aktivisten und lokalen Medien, auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen. Anstatt die Gewalt gegen Frauen einzudämmen, werde sie so nur noch weiter geschürt, beklagt Balkhi. "Angenommen, dein Mann schlägt dich und du gehst in ein Frauenhaus. Du verlässt also dein Heim, weil dein Mann dich geschlagen hat. Nun bleibst du für mehrere Wochen dort, bis dein Mann dich wieder zurückholt". Beim nächsten Mal bleibe es dann nicht bei Schlägen, führt er aus. "Der Mann tötet seine Frau diesmal. Anstatt dass durch dieses Gesetz Gewalt eingedämmt wird, wird sie im Gegenteil weiter angefacht."
Diese Ansicht ist bei den konservativen Abgeordneten weit verbreitet. Die Argumente ihrer Gegenspieler, meist weibliche Abgeordnete, stoßen auf taube Ohren.
Symbolischer Akt
Für Aziz Rafi, Leiter des "Afghanistan Civil Society Forum", ist der Streit um das Gesetz verlorene Liebesmühe. Selbst wenn das Gesetz durchkommen sollte, werde es keine grundlegende Änderung in der Situation der Frauen geben, sagt Rafi. "Die afghanische Rechtssprechung ist sehr problematisch und kompliziert. Es gibt Korruption in allen Bereichen. Wir bezweifeln, dass die Gewalt gegen Frauen mithilfe dieses Gesetzes abnehmen wird." Die afghanischen Frauen setzten bestimmt keine Hoffnungen in dieses Gesetz. Dennoch sei es gut für das Gesetz zu kämpfen, allein schon um ein Zeichen zu setzen.