Datengeschenk an die Amerikaner
5. August 2013Die NSA-Saga geht weiter. Gerade erst ist das detaillierte Ausspähprogramm XKeyscore bekannt geworden, mit dem US-Geheimdienste anscheinend unbegrenzt Internetnutzer auf der ganzen Welt überwachen können. Jetzt hat das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" aufgedeckt, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) von sich aus Daten an den US-Geheimdienst NSA, die "National Security Agency" weitergegeben hat. Nach Angaben des "Spiegel" hatte die NSA allein im Dezember 2012 Zugriff auf 500 Millionen Metadaten des deutschen Geheimdienstes. Metadaten sind die Verbindungsdaten von Telefonaten oder E-Mails.
Hat die Regierung Informationen zurückgehalten?
In den Unterlagen, die der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden an die Öffentlichkeit gebracht hat und auf die sich der Bericht beruft, heißt es, dass die USA über zwei Datensammelstellen die 500 Millionen Daten allein im Dezember 2012 abgegriffen haben, angeblich mit Einverständnis des BND. Der Vorgang soll den Namen "Germany – Last 30 days" getragen haben. Eine der beiden Sammelstellen sei höchstwahrscheinlich der bayerische BND-Standort Bad Aibling (oberes Bild).
"Das bedarf dringender Untersuchung", sagt Hans-Christian Ströbele, Politiker der Grünen. Bisher sei behauptet worden, die Amerikaner hätten ihre Einrichtung in Bad Aibling vor Jahren aufgegeben und an die Deutschen übergeben, so Ströbele. "Nun lesen wir, dass die NSA sogar ihre Niederlassung dort ausgebaut hat, von dort Daten bekommt und auch dort Daten analysiert. Das ist eine völlig neue Entwicklung, das sind Neuigkeiten, denen wir nachgehen müssen."
Ströbele ist auch Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr), dem Komitee, das die deutschen Geheimdienste kontrollieren soll. Ihn ärgert, dass er und die anderen Gremienmitglieder ihre Informationen über die Datenweitergabe aus dem "Spiegel" haben. "Warum ist das nicht schon längst im Parlament, im Parlamentarischen Kontrollgremium, aber auch in der Öffentlichkeit auf den Tisch gekommen?" fragt Ströbele. "Die Bundesregierung spielt da ein falsches Spiel."
Mitglieder der Bundesregierung wie beispielsweise Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) haben in den vergangenen Monaten zu der NSA-Affäre vor dem Innenausschuss des Bundestages und vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium ausgesagt. Ströbele und andere Oppositionsmitglieder sind empört, dass die Regierung in diesen Sitzungen nie die millionenfache Datenweitergabe erwähnt hat.
"Keine deutschen Staatsbürger betroffen"
Das hat einen einfachen Grund, sagt Wolfgang Bosbach (CDU). "Hier werden zwei Sachverhalte durcheinandergeworfen", betonte der Vorsitzende des Innenausschusses gegenüber dem Deutschlandfunk. Eine Zusammenarbeit zwischen BND und NSA habe der BND-Präsident nie bestritten. Und in den Ausschüssen habe man nach der Weitergabe der Daten von deutschen Staatsbürgern gefragt. Die sind jedoch in diesem Falle nicht betroffen: "Bei der Weitergabe der Daten geht es offenkundig nicht um deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, sondern um Daten, die der BND im Rahmen seines Auftrages und im Rahmen des BND-Gesetzes erhoben hat", so Bosbach.
Der BND ist der Auslandsgeheimdienst, in dieser Funktion darf er ausländische Verbindungsdaten von Telefonaten oder Emails weiterleiten. "Vor der Weiterleitung werden diese Daten in einem gestuften Verfahren um eventuell darin enthaltene personenbezogene Daten deutscher Staatsangehöriger bereinigt", teilte der BND der Deutschen Welle mit. Bei den 500 Millionen Metadaten, die an die NSA gingen, handele es sich um solche ausländischen Daten aus der Fernmeldeaufklärung des BND.
Langjährige Kooperation mit der NSA
Nach eigenen Angaben handelt der BND also vollkommen legal. Und die Kooperation mit den US-Amerikanern sei auch nichts Neues. "Der BND arbeitet seit über 50 Jahren mit der NSA zusammen, insbesondere bei der Aufklärung der Lage in Krisengebieten", so der Nachrichtendienst. "Genau diesen Zielen dient auch die Zusammenarbeit mit der NSA in Bad Aibling, die in dieser Form seit über zehn Jahren erfolgt und auf einer Vereinbarung aus dem Jahr 2002 basiert."
Da 2002 die heutige Koalition noch nicht an der Regierung war, sieht die Politikerin Gisela Piltz (FDP) nicht den heutigen Kanzleramtsminister Pofalla, sondern den damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier von den Sozialdemokraten in der Verantwortung. Er hätte über die ausgiebige Datenweitergabe informieren müssen, sagt das Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Deswegen hält sie die Empörung der Opposition für unpassend. "Ich finde, da muss sich die Opposition an die eigene Nase fassen", sagt Piltz. "Als Feuerlöscher auftreten, aber am Ende als Brandstifter ertappt werden - diese beiden Rollen kann man nicht glaubwürdig spielen."