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Das Zaudern der Schiiten

Peter Philipp8. März 2004

Die Verzögerung bei der Unterzeichnung der provisorischen Verfassung für den Irak hat niemandem genutzt: Diese Übung hätte Schiitenführer Sistani sich selbst, seinem Land und der Welt ersparen können, sagt Peter Philipp.

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Es hätte Schlimmeres geschehen können – so, wie täglich im Irak Schlimmeres passiert: Eine Woche Verspätung ist bestimmt keine Katastrophe und sicher auch kein Grund, den Schiiten Vorwürfe zu machen: Die erste Verzögerung war durch die Terroranschläge Anfang März verursacht worden und nur die zweite durch den Wankelmut der Schiiten. Oder auch ihren Argwohn.

Geschicktes Einlenken der Schiiten

Auch diesmal hätten die Schiiten wieder um die ihnen zustehende Rolle im Staat betrogen werden können: Obwohl sie mindestens 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen, waren die Schiiten noch nie in wirklich verantwortliche Posten berufen worden und hatten – erst recht – noch nie die Regierung gestellt im Zweistromland. Immer schon war diese Rolle der sunnitischen Minderheit vorbehalten gewesen und so war es auch unter Saddam Hussein.

Das Misstrauen von Schiitenführer Großayatollah Ali Sistani und einiger seiner Anhänger entzündete sich nun daran, dass nach der neuen Verfassung eine Provinz mit Zweidrittelmehrheit Nein sagen und damit die Verfassung für das ganze Land zu Fall bringen könnte. Der Argwohn richtete sich gleichermaßen gegen Sunniten wie auch gegen Kurden, obwohl man doch gleichzeitig auf schiitischer Seite hervorhob, wie wenig man auf solche Differenzen setze und vielmehr auf die Einheit von Staat und Volk.

Eine löbliche Erklärung, besonders nach den blutigen Anschlägen von Bagdad und Kerbala. Umso verwunderlicher dann aber die Verzögerung der Unterschrift und das offene Misstrauen derselben Schiiten. Dieses Kapitel scheint nun abgeschlossen.

Und jetzt weiter bis zu den Wahlen ...

Der Irak hat – zumindest auf dem Papier und vorläufig – die fortschrittlichste Verfassung eines arabischen Staates und nun darf man gespannt sein auf die nächsten Entwicklungen: Washington hält an seinem Plan fest, am 30. Juni 2004 die Macht einer irakischen Übergangsregierung zu übertragen und nächstes Jahr Wahlen abzuhalten, um dann eine permanente Regierung und auch eine permanente Verfassung zu etablieren.

Noch wissen wohl selbst die Amerikaner nicht, wie die Übergangsregierung aussehen soll. Sie wissen nur, dass das Besatzungsregime so schnell wie möglich beendet werden muss. Nicht nur wegen der Präsidentenwahlen im Herbst, sondern auch wegen der Lage im Irak und in der Region. Die Schiiten wissen dies und sie haben keinen Grund, diesen Zeitplan durch unsinnige Manöver zu verzögern. Beschleunigen können sie ihn ohnehin nicht, dazu muss im Irak in den nächsten Monaten noch zu viel erledigt werden.

Die Schiiten haben ein gesundes Eigeninteresse, dass die nächste Zeit keine neue Unruhe und weiteres Chaos bringt. Wenn der Irak sich nämlich wirklich in Richtung auf eine Demokratie bewegt, dann werden die Schiiten die wichtigsten Nutznießer dieser Entwicklung sein. Sie scheinen dies inzwischen verstanden zu haben.