Was ist eine Schwammstadt?
14. März 2024Sankt Kjelds Plads ist einer der meistbefahrenen Kreisverkehre im Osten Kopenhagens. Doch von Abgasen gibt es hier keine Spur und statt Motorenlärm hört man Meisen singen.
Der Kreisel voller Büsche und Bäume ist Teil eines großangelegten Experiments. Öffentliche Orte in der dänischen Hauptstadt werden neu gestaltet. Sie sollen zu neuen Treffpunkten für Bürgerinnen und Bürger werden, die Lebensqualität in Kopenhagen erhöhen und neue Lebensräume für Tiere und Pflanzen schaffen. Gleichzeitig hilft das Konzept, Überflutungen in der Stadt zu verhindern.
Ausschlaggebend für diesen Wandel war ein Starkregen vom 2. Juli 2011, der als "Jahrtausendregen" galt. Damals wurden viele Straßen und Häuser überflutet. Das Wasser stand tagelang in der Stadt, tote Ratten trieben durch die Straßen.
Spätere Untersuchungen zeigten, dass sich etwa ein Viertel der Hilfskräfte durch die Aufräumarbeiten mit Krankheiten wie etwa Leptospirose infiziert hatte. Ein Mensch starb sogar.
In den folgenden sieben Jahren trat vermehrt Starkregen auf. Es gab vier Fälle von Platzregen, der normalerweise nur alle 100 Jahre vorkommt. Der Schaden für die Stadt lag bei mindestens 800 Millionen Euro. Das veranlasste die dänischen Politikerinnen und Politiker dazu, die Hauptstadt an die veränderten Wettermuster anzupassen.
Umgestaltung zur Schwammstadt
Im vergangenen Jahrhundert lag der Fokus der Stadtentwicklung darauf, Orte wie Kopenhagen zu "Maschinen-Städten" zu machen. Diese Städte waren schnell zu errichten, konnten effizient Wohnraum zur Verfügung stellen und waren auf Industrie und Wirtschaft ausgelegt. Doch die Stadtarchitektur störte häufig den Wasserkreislauf, vor allem dann, wenn für die Stadtplanung Flüsse begradigt oder Überschwemmungsgebiete überbaut wurden.
Wenn Asphalt und Beton Orte bedecken, an denen vorher Erde und Gras waren, kann das Wasser dort nicht mehr versickern. Oft führt dies in der Folge zu Überflutungen. Städte aus aller Welt untersuchen nun, wie sich diese Stadtplanung umkehren lässt. Ein Ansatz, der bereits umgesetzt wird, ist die Umwandlung einer Stadt in eine sogenannte Schwammstadt.
Anders ausgedrückt: Infrastruktur und Plätze werden so umgebaut, dass sie wie eine Art Schwamm funktionieren: Sie sollen Wasser aufnehmen, halten und wieder abgeben können, damit es in den Wasserzyklus zurückkehrt.
Mit mehr als 60 Städten ist China Vorreiter bei der Umwandlung zu Schwammstädten. Dort gibt es unter anderem Städte mit grünen Felsenriffen oder Regengärten zu Speicherung von Wasser. Jan Rasmussen, Leiter des Kopenhagener "Cloudburst Master Plan" sah darin Potential für Dänemark.
"Unsere Politik hat entschieden, dass wir das Wasser sehr schnell aus der Stadt raus bekommen müssen", erzählt Rasmussen. "Man fragte uns, ob wir das auf eine clevere Art machen können, ob wir das Abwassersystem erweitern können und ob wir für Regen auf der Oberfläche vorbereitet sind."
Wie Städte Regenwasser sammeln können
Rasmussens und sein Team schauten sich Schwammstadt-Projekte auf der ganzen Welt an. Ihr Konzept sieht nun die Umwandlung von 250 öffentlichen Orten vor, um Überflutungswasser umzuleiten und zu speichern. Dazu gehören Parks, Spielplätze - und der Sankt Kjelds Plads Kreisverkehr.
Ein Dutzend Teiche um den Kreisel soll überflüssiges Regenwasser auffangen. Öffnungen an den Seiten von tiefgelegenen Straßen dienen dazu, das Wasser in ein Tunnelnetzwerk zu leiten, das 20 Meter unter der Oberfläche liegt.
Wenn es "normal" regnet, fließt das Regenwasser durch das Abflusssystem bis zum Hafen. Bei Starkregen wird ein Pumpwerk aktiv und transportiert das Wasser aus den Tunneln schneller ins Meer. So wird mehr Platz für neues Regenwasser geschaffen, die Straßen werden nicht überflutet. Dieses neue System soll 2026 in Betrieb gehen.
"Es wird immer noch Wasser auf den Straßen geben, die werden nicht komplett trocken sein. Aber statt einem Meter [Flutwasser] haben wir dann maximal nur noch 20 Zentimeter", sagt Jes Clauson-Kaas, Ingenieur bei der Wasserwerkabteilung HOFOR, die das Tunnelnetz baut.
Was kostet die Umwandlung zur Schwammstadt?
Doch es ist gar nicht so einfach, die Bevölkerung von dem Projekt zu überzeugen. Etwa weil die Umwandlung zur Schwammstadt mit einer Steuer auf die Wasserpreise finanziert wird. Auch die Verwandlung von Spielplätzen oder Stadtparks zu temporären Flutzonen begeistert nicht alle.
Laut Clauson-Kaas ist eine flutgewappnete Stadt allerdings auch in finanzieller Hinsicht sinnvoll. "Wir haben [2011] rund eine Milliarde Euro verloren und erwarten einige ähnliche Vorfälle in den kommenden 100 Jahren. Der potentielle Schaden dabei könnte bei vier oder fünf Milliarden Euro liegen. Wenn wir also zwei Milliarden investieren, ergibt es immer noch Sinn", rechnet Clauson-Kaas vor.
Statt in der Zukunft mit potenziellen Schäden umgehen zu müssen, ist Kopenhagen nun finanziell und politisch gut gerüstet für Investitionen in die Schwammstadt-Infrastruktur. Und für andere Städte kann die dänische Hauptstadt ein Beispiel sein, welche Vorteile eine Schwammstadt zu bieten hat.
Redaktion: Jennifer Collins und Tamsin Walker
Adaption aus dem Englischen: Johan Brockschmidt und Jeannette Cwienk