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"Das Schönste sind offene Konflikte"

Adelheid Feilcke-Tiemann 10. Juni 2003

Das organisierte Verbrechen hält den Balkan im Griff. Nur eine schnelle EU-Angliederung kann die Region dauerhaft stabilisieren, sagt Balkanexperte Norbert Mappes-Niediek in seinem Buch "Balkan-Mafia".

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Nicht nur Waffen werden geschmuggeltBild: AP

Je schwächer ein Staat, desto besser für die Mafia, meint Mappes-Niediek. Deshalb sabotierten kriminelle Organisationen auf dem Balkan gezielt die Konsolidierung staatlicher Strukturen. Die organisierte Kriminalität hätten also ein "geradezu politisches Interesse" an Instabilität, so der Balkanexperte.

"Es freut die Kriminellen, wenn es kein funktionierendes Rechtssystem, keine funktionierende Polizei gibt und wenn der Ministerpräsident für Drohungen empfänglich ist", weiß Mappes-Niediek aus Erfahrung. Der 50-Jährige arbeitete 1994 und 1995 als Berater des damaligen UN-Sonderbeauftragten für das ehemalige Jugoslawien, Yasushi Akashi. "Kriminelle legen Wert darauf, dass sich nichts verfestigt, nichts etabliert. Die Instabilität, die Angst und auch die Resignation kommen ihren Interessen zugute."

Ethnische Konflikte = Mafia

Mappes-Niedieck vertritt die These, dass auch die ethnischen Konflikte - besonders die Krise in Mazedonien - weniger auf Feindschaften der Volksgruppen als auf Kämpfe zwischen konkurrierenden Mafiagruppen zurückzuführen seien. Die Mafia habe sich dort - wie zuvor auch in den anderen ethnischen Konflikten der Region - der ethnischen Gegensätze bedient. "Das allerschönste, was es - zynisch gesagt - für eine kriminelle Gruppe geben kann, ist ein offener Konflikt. Und die allerbeste Variante davon ist der ethnische Konflikt", so Mappes-Niedieck. "Denn dann kann man sagen: Schaut nur, wir Albaner werden angegriffen von den Mazedoniern. Oder umgekehrt". Das schafft Rückhalt in der Bevölkerung. "So lange alle Leute in diesem 'ethnischen Gefängnis' gefangen bleiben, wird es schwer sein, eine massenhafte Zustimmung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu bekommen."

Grenzüberschreitende Kriminalität

Auch die Vielzahl kleiner Staaten in Südosteuropa komme der Mafia zugute, meint Mappes-Niediek. Denn Polizeibehörden müssen an den Grenzen der Staaten halt machen - während die organisierte Kriminalität gerade von der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit profitiere. "Es ist ihr Sinn und Lebenselixier, staatliche Grenzen zu überschreiten. Denn das meiste Geld macht man ja mit dem Schmuggel - und das geschieht durch das Übrschreiten staatlicher Grenzen", erläutert der Experte.

"Kriminelle Organisationen sind grundsätzlich nicht multi-ethnisch, sie sind fast immer ethnisch. Es gibt keine einzige albanische Bande, kein albanisches Kartell, in der Serben oder Mazedonier zu finden wären. Umgekehrt gibt es kein serbisches Kartell, in dem ein Albaner mitmachen würde." Das kann sich je nach Geschäfts- und Auftragslage aber auch schnell ändern. "Ein Beispiel dafür ist, dass die serbische Firma Junko in Vranje die Uniformen für die kosovo-albanische UCK genäht hat", erzählt Mappes-Niedieck.

EU unter Zugzwang

Es sei falsch, so Mappes-Niedieck, wenn Europa meine, sich von der organisierten Kriminalität auf dem Balkan abriegeln zu können. Das Gegenteil sei der Fall: Schon heute seien in vielen deutschen und westeuropäischen Städten Prostitution und Drogenhandel fest in der Hand balkanischer Banden. Doch sind die Einflussmöglichkeiten Westeuropas in vielen südosteuropäischen Ländern gering.

Ein Ausnahme-Fall ist das Kosovo: "Das ist ein UNO-Protektorat, de facto wird die Politik von der Europäischen Union gemacht. Es gibt eine UN-geführte Polizei, es gibt eine klare Kommandostruktur vom Polizeichef, der ein Deutscher ist, bis hinunter zu den albanischen oder serbischen Polizisten. Und es hat sich auch tatsächlich eine positive Zusammenarbeit entwickelt", bilanziert der Balkanexperte.

Dringender Handlungsbedarf

Nur die Perspektive einer schnellen EU-Integration der gesamten Region könne die Staaten im Kampf gegen die organisierte Kriminalität stärken, meint Mappes-Niediek. Doch weil der Integrationsprozess langwierig sei, solle in Südosteuropa zunächst eine Art "Europäischer Wirtschafts- und Rechtsraum" etabliert werden.

Die EU-Länder müssten zum einen strukturelle und wirtschaftliche Aufbauprogramme starten, zum anderen aber auch eine starke europäische Polizeibehörde und einen erweiterten Europäischen Gerichtshof einrichten. Der solle dann auch direkt gegen korrupte Minister in der Region oder mafiöse Verflechtungen vorgehen können. Die Alternative dazu sei dramatisch, so Mappes-Niediek: Europa mit direkten Grenzen zur Dritten Welt.