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Das riskante NPD-Verbotsverfahren

Marcel Fürstenau, Berlin1. März 2016

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über die Zukunft einer Partei, die politisch und finanziell angeschlagen ist. Marcel Fürstenau über den Weg nach Karlsruhe, der in einer Sackgasse enden könnte.

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Symbolbild NPD Verbot
Dieser Ausschnitt eines sächsischen NPD-Plakats dürfte sogar den Gegnern der Partei gefallen...Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland in den 1990er Jahren: Brandanschläge auf Asylbewerber-Heime und von Ausländern bewohnte Häuser. Fremdenhass gibt es überall. Rostock und Hoyerswerda, Solingen und Mölln werden zu Synonymen für Pogrome und Mordlust. Es sterben wirklich Menschen - in brennenden Wohnungen, von Rechtsextremisten zu Tode geprügelt. Unter dem Eindruck dieser fremdenfeindlichen Exzesse beantragen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zu verbieten.

Die NPD ist nach Überzeugung der drei Verfassungsorgane geistige Brandstifterin. Eine Partei, die den demokratischen Rechtsstaat untergraben und zerstören will. Und dann diese Blamage: die Richter stellen das Verfahren 2003 ein, bevor es richtig losgeht. Der Grund: Die behauptete Verfassungswidrigkeit der NPD basiert wesentlich auf Informationen sogenannter Vertrauensleute (V-Leute), die der Verfassungsschutz innerhalb der Partei angeheuert hat.

Regierung und Bundestag lassen die Länder allein

Die Begründung des für Parteiverbote zuständigen Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes ist unmissverständlich: "Staatliche Präsenz auf der Führungsebene einer Partei macht Einflussnahmen auf deren Willensbildung und Tätigkeit unvermeidbar." Folglich ist ein rechtsstaatlich faires Verfahren unmöglich. Das soll beim zweiten Anlauf, der an diesem Dienstag (01.03.2016) mit der mündlichen Verhandlung beginnt, anders sein.

Im gut 250 Seiten umfassenden Antragstext heißt es: "Spätestens seit dem 6. Dezember 2012 sind nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz die Informationsbeziehungen zu sämtlichen Quellen auf der Führungsebene der NPD (…) beendet." Es ist der Tag, an dem die Innenminister der 16 Bundesländer nach langer Diskussion beschließen, einen zweiten Verbotsantrag zu stellen. Dann dauert es noch ein Jahr, bis der Bundesrat den Antrag beim Bundesverfassungsgericht einreicht. Bundesregierung und Bundestag sind dieses Mal nicht dabei. Zwar begrüßen sie die Initiative der Länder, haben aber anscheinend Zweifel am Erfolg des Verfahrens.

NPD-Demonstration in Warnemünde 2012
NPD-Protest beim entscheidenden Treffen der Innenminister in Warnemünde 2012Bild: imago/BildFunkMV

Der sächsische Landtag ist seit 2014 NPD-frei

Diese Zweifel sind inzwischen womöglich noch größer als vor zwei Jahren. Denn seitdem hat die NPD weiter an Bedeutung verloren. In Sachsen flog sie bei der Landtagswahl 2014 aus dem Parlament. Damit gingen ihr staatliche Gelder in Millionenhöhe verloren. Nur noch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es eine NPD-Fraktion mit fünf Abgeordneten. Im Bundestag war die Partei noch nie.

Das von der NPD ausgehende Bedrohungspotenzial für die in Jahrzehnten gefestigte und wehrhafte deutsche Demokratie scheint doch recht gering zu sein. Trotzdem argumentieren die Bundesländer im Verbotsantrag damit, die NPD sei darauf aus, "die freiheitliche demokratische Grundordnung im Ganzen zu beseitigen". So ließe sich allerdings schon seit 1964 argumentieren, dem Gründungsjahr der rechtsextremen Partei. Ihre programmatische Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut war auch damals schon erkennbar.

Eine direkte Verbindung zum NSU ist kaum nachweisbar

Die im Zuge der Flüchtlingskrise wieder stärker spürbare Fremdenfeindlichkeit dürfte der NPD zwar gefallen, aber im Verbotsverfahren wird man ihr diese Entwicklung nicht direkt anlasten können. Dafür sind die Grenzen zwischen NPD, der islamfeindlichen Pegida-Bewegung und auch der Alternative für Deutschland (AfD) zu fließend. Abgesehen davon wurde der Verbotsantrag eingereicht, als in Deutschland noch nicht fast jede Woche Flüchtlingsunterkünfte brannten.

Der mutmaßliche NSU-Helfer Ralf Wohlleben (2.v.l.) und der damalige NPD-Chef Udo Voigt (4.v.l.) auf einer Demo 2007 in Jena
Der mutmaßliche NSU-Helfer Ralf Wohlleben (2.v.l.) und der damalige NPD-Chef Udo Voigt (4.v.l.) 2007 in JenaBild: picture-alliance/dpa

Auslöser für den zweiten Anlauf war schließlich das Auffliegen der rechtsextremistischen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) und das Entsetzen über die zehn Morde. Dass in Person von Ralf Wohlleben ein ehemaliger NPD-Funktionär beim NSU-Prozess in München auf der Anklagebank sitzt, ist das eine. Das andere und viel schwierigere ist, daraus eine direkte Linie zwischen Partei und Terrorgruppe nachzuweisen. Nach knapp drei Jahren NSU-Prozess gibt es dafür keine überzeugenden Argumente.

"Guter Heimflug" steht auf einem NPD-Wahlplakat, auf dem orientalisch-muslimisch aussehende Figuren auf einem fliegenden Teppich sitzen
NPD-Stimmungsmache gegen Ausländer und Flüchtlinge auf einem Wahlplakat in Rheinland-PfalzBild: DW/M. El-Maziani

Es mutet fast schon paradox an: Die NPD muss zu einem Zeitpunkt um ihre Existenz bangen, wo ihr ohnehin die Wähler in Scharen davonlaufen. Innerparteiliche Querelen mit mehreren Wechseln an der Parteispitze kommen hinzu. Auf der Homepage gibt man sich natürlich trotzdem kämpferisch: “Die NPD wehrt sich!” steht dort groß auf der Startseite. Daneben ist Justitia abgebildet, die Göttin der Gerechtigkeit. In der linken Hand hält sie die Waage, in der rechten das Schwert.

Wo liegen die Grenzen der Meinungsfreiheit?

Nach ein paar Sekunden wechselt das Bild automatisch: "Das Boot ist voll - Asylflut stoppen!". NPD pur. Eine Parole aber auch, die andere längst übernommen haben. "Aktiv-kämpferisches und aggressives Handeln der NPD", von dem im Verbotsantrag die Rede ist, ist das sicherlich nicht. Solche Äußerungen fallen in den Bereich der zulässigen Meinungsäußerung. Sollte die NPD aber tatsächlich als verfassungsfeindliche Partei eingestuft werden, bliebe ihr immer noch der Weg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Dessen Anforderungen an ein Parteiverbot gelten als besonders streng.