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Das Phänomen Stromberg

Philip Süthoff20. Februar 2014

Büroalltag als Kinostoff, geht das? "Stromberg - Der Film" macht es vor. Seit Jahren ist Stromberg ein TV-Erfolg. Rückblickend lautet die Frage: Was ist das Erfolgsrezept hinter der mehrfach prämierten Fernsehserie?

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Filmszene aus Stromberg der Film (Foto: Verleih Brainpool Willi Weber)
Bild: Brainpool / Willi Weber

Wie alles begann: Am 11. Oktober 2004 wurde die erste Folge "Stromberg", eine Adaption der britischen Serie "The Office", im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Schauplatz der Comedy-Serie war ein typisch deutsches Großraumbüro der fiktiven Capitol-Versicherung. Die Abteilung Schadensregulierung M-Z, geleitet von Bernd Stromberg, wurde dabei Dreh- und Angelpunkt einer imaginären Dokumentation über den meist unspektakulären und frustrierenden Berufsalltag innerhalb der Versicherungsbranche.

Zwischen Fiktion und Doku

Diese filmische Konzeption ermöglichte es dem Zuschauer, "Stromberg" "in seinem natürlichen Umfeld" als dokumentierte Realität zu erleben und somit am Geschehen unmittelbar teilzuhaben - das war neu im deutschen Fernsehen. Ralf Husmann, dem Produzenten der Comedy-Serie, gelang mit "Stromberg" somit eine Parodie des Doku-Soap-Formats - im Fachjargon: Mockumentary.

"Büro ist wie Achterbahn fahren, ein ständiges auf und ab. Wenn man das acht Stunden machen muss, täglich, dann kotzt man irgendwann." Kein geringerer als Bernd Stromberg höchstpersönlich ergriff in der ersten Folge das Wort und gab damit den Startschuss für über hundert aberwitzige und zugleich doch oft bitterböse Kommentare über den Berufs- und Büroalltag. Aber auch über die Liebe, das Leben und überhaupt alles Erdenkliche wusste Stromberg eine ganze Menge zu referieren.

Filmszene aus Stromberg der Film (Foto: Verleih Brainpool Willi Weber)
Immer am Steuer - doch oft auch ziellos: Christoph Maria Herbst als StrombergBild: Brainpool / Willi Weber

Eine ungewöhnliche TV-Figur

So einen Chef, so einen Wortschwall, hatte das deutsche Fernsehpublikum zuvor noch nicht erlebt. Dabei ließ der selbstverliebte und unverbesserliche Abteilungsleiter keine diskriminierenden Gehässigkeiten, egal ob rassistischer oder sexistischer Natur, aus. Weitere Kostproben aus den Weltanschauungen Strombergs gefällig?

"Der Türke kann Kaffe, Döner, Bauchtanz. Mehr nicht. Das ist kein Vorurteil, sondern historisch erwiesen", wusste Stromberg in der Auseinandersetzung mit seinem Capitol-Kollegen und Konkurrenten Sinan Turçulu mit absoluter Gewissheit zu behaupten. Im Konflikt mit Herrn Fritsche, Rollstuhlfahrer aus der Abteilung Turçulu, wandte sich Stromberg dann mit voller Empathie dem Thema Behinderung zu: "Blind ist glaube ich am schlimmsten, dann lieber taub, oder eine Hand weg. Brust weg ist auch nicht schön, also bei Frauen jetzt. Rollstuhl finde ich in etwa wie taub, nur dass man mehr mitkriegt." Und weiter im Text: "Ich bin für Behinderte. Hundert pro, das sind ja praktisch auch Menschen. Die ganzen Randgruppen: Behinderte, Schwule, Frauen ... bin ich dafür, solange es menschlich stimmt."

Stromberg - Der Film Crew (Foto: Brainpool)
Die Filmcrew mit Produzent Ralf Husmann und Regisseur Arne Feldhusen (fünfter und sechster von links)Bild: picture-alliance/dpa

Harte Schale, weicher Kern

Bernd Stromberg machte es dem Zuschauer wahrlich nicht leicht. Fünf Staffeln lang musste man die Gemeinheiten, die Gehässigkeiten und die Intrigen eines Abteilungsleiters gegenüber seinen Vorgesetzten und/oder meist hilflosen Untergebenen miterleben. Wut staute sich da auf, nicht selten auch schier unerträgliche Fremdscham. Doch ab und an kam auch in Stromberg das Menschliche, auf das er nach eigener Auskunft bekanntlich großen Wert legte, zum Vorschein.

Denn ein Stromberg konnte auch mal in Tränen ausbrechen. Da musste ihm lediglich ein Computerkurs für das neue Abrechnungssystem vor Augen führen, dass seine fachlichen Kompetenzen gegen Null tendieren. Oder er musste sich in jemanden verlieben, zum Beispiel in die attraktive Mutterschutz-Rückkehrerin Jennifer Schirrmann. Beim Liebesgeständnis entpuppte sich die Bürobestie Stromberg für kurze Zeit dann als einsame und bedürftige Männerseele - welchem Zuschauer ging da nicht ein Hauch von Mitgefühl ab?

Filmszene aus Stromberg der Film (Foto: Verleih Brainpool Willi Weber)
Stromberg bei seiner Lieblingsbeschäftigung: er gibt TippsBild: Brainpool / Willi Weber

Perfekte Besetzung

Der Schauspieler Christoph Maria Herbst fand mit der Comedy-Serie "Stromberg" die Rolle seines Lebens. Die Figur des Bernd Stromberg war für ihn dabei nicht bloß eine von vielen lustigen Rollen, die es galt anzunehmen. Herbst komponierte hierfür vielmehr eine eigene Art des Sprechens, des sich Bewegens und des Agierens - Stromberg, der Stereotyp, war geboren.

Aufbauend auf einem stilsicheren Drehbuch voller makaberer Humoristik gelang es Herbst, mittels unverwechselbarer, charakteristischer Mimik und Gestik so eine menschgewordene Karikatur mit Leben zu füllen: einen unerträglichen, nervtötenden und dabei doch auch irgendwie liebenswürdigen Abteilungsleiter. Und all das möglichst lebensnah in der unaufgeregten Atmosphäre einer typisch deutschen Versicherung.

Filmszene aus Stromberg der Film (Foto: Verleih Brainpool Willi Weber)
Kongeniale Partner: Stromberg und "Ernie" Heisterkamp (Bjarne Mädel)Bild: picture-alliance/dpa

Kongenialer Mitspieler

Hervorzuheben ist neben Stromberg auch die Figur des Berthold "Ernie" Heisterkamp, brillant gespielt vom Schauspieler Bjarne Mädel. Mittels darstellerischem Feingefühl hauchte Mädel der Rolle des stets schwitzenden und bieder gekleideten "Ernie" gekonnt Leben ein. Neben dem Chef Stromberg fungierte die "Büroamöbe" als zweiter gelungener Stereotyp in der Comedy-Serie. Mit dem Zweigespann Herbst und Mädel musste "Stromberg" ein Erfolg werden - und wurde es bekanntlich auch.

Bleibt abzuwarten, ob sich dieser Erfolg nun auch auf die große Leinwand übertragen lässt. Die Voraussetzungen sind nicht schlecht. Ein Teil des Budgets wurde über eine Crowdfunding-Aktion finanziert. Zumindest diese Leute werden schon mal das Kino aufsuchen.