Das Paris der Édith Piaf
18. Dezember 2015Verwelkte Blumen in einer schwarzen Vase weisen den Weg. "EP" steht in goldenen Buchstaben auf dem Marmorgefäß: Édith Piaf. Das Grab der Sängerin ist auf dem riesigen Friedhof Père Lachaise nur schwer zu finden. "Letztes Jahr haben wir es schon besucht, zusammen mit dem von Jim Morrison", erzählt ein kanadischer Tourist. Piaf, der Spatz von Paris, und Morrison, der amerikanische Rockstar, ruhen hier wie 70.000 andere in teils monumentalen Grabstätten des Friedhofs, der jährlich rund zwei Millionen Besucher anzieht. Wer gezielt nach der Nummer 71 in der 97. Division sucht, kommt ohne lange Umwege zum Grab von Édith Piaf.
Chansons für die Ewigkeit
Vor der schwarzen Platte mit der goldenen Aufschrift "Famille Gassion-Piaf" versammeln sich täglich mehrere Reisegruppen. Kein Vergleich mit dem Andrang am 14. Oktober 1963, als Zehntausende von dem Star Abschied nahmen, der im Alter von 47 Jahren starb. Die Pariser zeigten ihre Trauer für eine Sängerin, die wie keine andere ihre Stadt verkörperte.
Stationen der Karriere
Auch wenn sie in ihren letzten Lebensjahren im schicken 16. Stadtbezirk wohnte, blieb Édith Piaf bis zum Schluss ein Kind des ärmeren Pariser Nordens. Nur zwei Kilometer von ihrem Grab entfernt, in der Rue Belleville, erblickte Édith Gassion vor 100 Jahren das Licht der Welt. So die Legende. In ihrer Geburtsurkunde wird das nahegelegene Krankenhaus Tenon genannt. "Auf den Stufen dieses Hauses wurde am 19. Dezember 1915 in bitterer Armut Édith Piaf geboren, deren Stimme später die Welt bewegen sollte", ist auf einer unscheinbaren Steinplatte über dem Eingang der Rue Belleville Nummer 72 zu lesen.
Die mehr als zwei Kilometer lange Straße ist die zentrale Ader des einstigen Dorfes Belleville, heute der 19. und 20. Pariser Stadtbezirk. Fünf Gehminuten von Piafs Geburtshaus entfernt liegt der Park Buttes-Chaumont, eine der größten Grünanlagen der französischen Hauptstadt. Bei schönem Wetter sonnen sich dort Pariser und Touristen bestaunen die Grotte samt Wasserfall.
Weniger idyllisch ging es in den 1930er Jahren in dem damaligen Arbeiterviertel zu, wo Édith Piaf, Tochter des Zirkusartisten Louis Gassion und der Kaffeehaussängerin Anetta Maillard, sich schon mit 15 als Straßensängerin alleine durchschlug. Bevor ihr großes Talent entdeckt wurde, wohnte die nur 1,47 Meter kleine Frau mit der gewaltigen Stimme nur einen Kilometer von ihrem Geburtshaus entfernt in der Rue Crespin du Gast, einer Seitenstraße der beliebten Rue Oberkampf mit ihren Bars und Restaurants. Im Backsteinhaus der Nummer fünf betreibt die Vereinigung der Freunde Édith Piafs ein Privatmuseum, das nur nach Voranmeldung besucht werden kann.
Gesammelte Souvenirs
In zwei Zimmern seiner Wohnung zeigt Bernard Marchois, ein Bekannter der Sängerin, seit 1977 seine umfangreiche Sammlung. Fotos, Konzertplakate, Platten und Briefe, beispielsweise an Piafs Schwester Denise, sind zu sehen. Auch ein Cocktailkleid mit weißer Pelzstola, das die Sängerin bei Auftritten mit ihrer großen Liebe, dem Boxweltmeister Marcel Cerdan, trug, wird gezeigt.
Marchois war auch oft dabei, wenn die zierliche Sängerin im berühmten Konzertsaal Olympia Lieder wie "Hymne à l'amour" oder "Milord" vortrug. Mit dem Olympia am eleganten Boulevard des Capucines verbindet Édith Piaf eine besondere Geschichte. Aus Freundschaft zum Inhaber Bruno Coquatrix trat sie hier 1961 drei Monate lang hintereinander auf und spendete ihre Gage für das legendäre Konzerthaus, das kurz vor der Pleite gestanden hatte. Ihr ist es zu verdanken, dass im Olympia heute noch Musikgrößen aus aller Welt auftreten. Am 30. Dezember 1960 sang die schon todkranke Piaf auf dieser Bühne das Lied, das ihr Vermächtnis wurde: "Je ne regrette rien".