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"Das hat nichts mit ärztlichem Handeln zu tun"

Tobias Oelmaier 15. April 2015

... sagt Professor Frank Louwen. Der Frauenarzt steht der künstlichen Befruchtung einer 65-jährigen Frau mit Vierlingen äußerst skeptisch gegenüber. Und Louwen macht im DW-Interview auch seinen Kollegen Vorwürfe.

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Ultraschall Untersuchung Schwangerschaft
Bild: Sven Bähren/Fotolia

DW: Herr Louwen, Vierlinge mit 65. Was haben Sie gedacht, als Sie erstmals davon gehört haben?

Frank Louwen: Das ist etwas richtig schief gegangen! Diese Frau vereint ungefähr alle Hochrisiken auf sich - und nicht nur auf sich, sondern auch auf ihre Kinder. Das macht wirklich betroffen, denn jeder weiß, dass wir mit zunehmendem Alter weniger leistungsfähig werden. Auch wenn man die Gebärmutterschleimhaut mit Hormonen dazu bringen kann, dass sie eine Schwangerschaft austragen kann, muss doch berücksichtigt werden, dass der gesamte Körper dieser Frau 65 Jahre alt ist.

Das zweite Problem ist, dass diese Frau Vierlinge erwartet. In der Reproduktionsmedizin ist das für sich genommen schon ein Unfall. Denn Vierlinge haben ein großes Risiko für Frühgeburten, dazu wird der Körper einer Frau überanstrengt.

Kann man dieses Risiko beziffern? Und auch die Chance, dass die vier Embryos lebendig zur Welt kommen, und auch noch normal entwickelt sind?

Man kann dazu keine seriöse Zahl angeben, weil eine solche Situation bisher noch nicht stattgefunden hat. Sie hat bisher nicht stattgefunden, weil man gar nicht ahnen konnte, dass sich Ärztinnen und Ärzte in einen solchen Machbarkeitswahn versteigern, eine Frau mit 65 Jahren mit einer Vierlings-Schwangerschaft zu konfrontieren. Und das getoppt durch den Umstand: mit fremden Eizellen, was dazu führt, dass vier verschiedene Individuen genetisch different zur Mutter sind. Schon eine Eizellenspende erhöht das Risiko für Anpassungsstörungen, Bluthochdruck in der Schwangerschaft und Schwangerschafts-Diabetes deutlich. Dieses Risiko hat diese Frau schon jetzt vierfach.

Ein schlimmeres Szenario ist nicht denkbar. Man kann nur beten, dass diese Schwangerschaft in ein Schwangerschaftsalter kommt, in dem die Kinder eine realistische Chance haben, später einigermaßen gesund zu überleben. Das macht wirklich sehr traurig.

Sind das denn biologisch gesehen überhaupt Kinder dieser Frau?

Nein, denn die Eizellspenderinnen haben mit dieser Frau mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts zu tun; es werden ja nicht ihre eigenen Töchter sein. Die Spermien-Spender sind ebenfalls nicht bekannt. Das heißt: Diese vier Kinder haben mit der Mutter genetisch gar nichts zu tun.

Wir wissen, dass es während einer Schwangerschaft auch zu sogenannten fetalen Programmierungen kommt, zu Prozessen, die die weitere Entwicklung schon in der Gebärmutter beeinflussen.

Aber auch diese sind hier die ungünstigsten, die Kinder haben können. Denn höheres Alter bedeutet: nicht mehr ganz so gesunde Blutgefäße, schlechtere Versorgung der Gebärmutter - und damit auch der Kinder mit Sauerstoff und Nährstoffen - und darüber hinaus gleichzeitig ein hohes Risiko für Bluthochdruck, Eiweißausscheidung im Urin, die sogenannte Schwangerschafts-Vergiftung und für Schwangerschaftsdiabetes. Das alles sind zusätzliche Risikofaktoren für Kinder - unabhängig von der ohnehin mit Sicherheit drohenden Frühgeburt. Bei einer solchen Konstellation schämt man sich dafür, dass Ärztinnen und Ärzte so etwas initiieren.

Prof. F. Louwen
Professor Frank LouwenBild: DGGG Berlin

Wie viele befruchtete Eizellen werden üblicherweise bei so einer künstlichen Befruchtung eingesetzt?

Sehr gute reproduktionsmedizinische Institute, auch hier in Deutschland, sind mittlerweile so hervorragend, dass sie nur noch ein oder zwei befruchtete Eizellen einsetzen und mit hoher Wahrscheinlichkeit dann ein oder zwei Kinder aus diesen Schwangerschaften resultieren. Vier Eizellen, wie sie der Frau eingesetzt worden sein sollen, wären in Deutschland undenkbar.

Dass Frauen in einem höheren Alter nicht mehr in der Lage sind, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, hat die Natur wohl aus gutem Grund so eingerichtet. Vielleicht auch, um damit zu sichern, dass Kinder ihre Mütter noch möglichst lange haben. Nur hat sich die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten, Jahrhunderten drastisch erhöht. Ist es da nicht legitim und richtig, der Natur ein Schnippchen zu schlagen?

(Lacht). Das ist eine interessante Überlegung, aber dafür bin ich der denkbar schlechteste Ansprechpartner. Als Arzt muss ich mich darauf konzentrieren, Menschen zu helfen, bei denen Erkrankungen vorliegen. Wenn ein Paar keine Kinder bekommen kann, weil die Eileiter nicht durchgängig sind, sind diese IVF-Behandlungen, diese In-vitro-Fertilisation, ein fantastischer Weg, zum Kinderwunsch zu verhelfen.

Bei Frauen, bei denen die Eierstöcke nicht gut funktionieren und bei denen keine eigenen Eizellen heranreifen können, gibt es zwar nicht in Deutschland, aber in anderen Ländern die Möglichkeit, eine fremde Eizelle mit den Spermien des Partners zu befruchten.

Auch hier denke ich, dass es medizinisch sinnvolle Situationen gibt. Fernab aller moralisch-ethischer Diskussion. Hier aber haben wir die Situation, dass diese Frau weder ihre eigenen Eizellen noch die Spermien ihres Partners hat, sondern sie als Leihmutter fungiert. Und dass eine nicht mehr dazu fähige Gebärmutter erst hormonell medizinisch überhaupt wieder in die Lage versetzt wurde, mit den daraus resultierenden hohen Risiken für die Kinder. Und das hat definitiv nichts mehr mit ärztlichem Handeln zu tun.

Die Fragen stellte Tobias Oelmaier.

Professor Frank Louwen ist Leiter der Geburtshilfe und Pränatal-Medizin der Universitätsklinik Frankfurt.