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Das Ende eines Kriegsfürsten naht

Steffen Leidel30. Juni 2003

Gegnerische Rebellen rücken Liberias Präsident Charles Taylor immer mehr auf den Leib. Auch US-Präsident George Bush hat den berüchtigten Warlord zum Rücktritt aufgefordert. Doch ans Aufgeben denkt Taylor nicht.

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Machte Krieg zu seinem Geschäft:<br>Charles TaylorBild: AP

Die Zustände in der liberianischen Hauptstadt Monrovia werden immer chaotischer. Nach schweren Kämpfen zwischen den Rebellen der LURD (Vereinte Liberianer für Versöhnung und Demokratie) und den Milizen von Präsident Charles Taylor droht eine humanitäre Katastrophe. Über 300 Menschen sollen schon gestorben sein, Tausende sind vor dem Bomben- und Granathagel aus der Stadt gefohlen. Ihnen fehlen Nahrung, Wasser und Lebensmittel. Auch der von den LURD-Rebellen erklärte vorübergehende Waffenstillstand brachte keine Linderung.

Liberias Präsident Charles Taylor bleibt indes in der Stadt und ruft seine Anhänger auf, "bis zum Letzten zu kämpfen". Solche Rufe kommen meist von jenen, die schon verloren haben. Noch ist Taylor nicht gestürzt, doch die Macht bröckelt. "Viele seiner Leute sind schon zu den Rebellen übergelaufen", sagt Felix Gerdes im Gespräch mit DW-WORLD. Gerdes beobachtet für die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) an der Universität Hamburg den Konflikt in Liberia. Kumpane Taylors wie der Präsident von Burkina Faso, Blaise Compaoré, wenden sich ab. Überraschend hat sich auch die Supermacht USA gemeldet, die sich beim Kommentieren von Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent bislang eher zurückgehalten hatte. Präsident George Bush, der vom 7. bis 12. Juli 2003 zum ersten Mal selbst Afrika besuchen wird, forderte Taylor auf, zurückzutreten, "damit seinem Land nach 14 Jahren Krieg weiteres Blutvergießen erspart bleibt".

Flüchtiger Frieden

An ein militärisches Eingreifen denken die USA aber scheinbar nicht, auch wenn die Rufe danach – wie zuletzt vom britischen Botschafter bei den Vereinten Nationen (UN) Jeremy Greenstock - immer lauter werden. Am 17. 2003 Juni hatten die Rebellengruppen LURD und die Bewegung für Demokratie in Liberia (MODEL) mit Taylors Regierung ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Es sah die Bildung einer Übergangsregierung ohne Beteiligung Taylors vor. Das Friedensabkommen hielt nur kurz. Der Grund: Taylor kündigte an, bis zum Ende seiner Amtszeit im Januar 2004 Präsident bleiben zu wollen. Daraufhin flammten die Kämpfe wieder auf.

Zeitgleich hatte das UN-Sondertribunal für Sierra Leone einen internationalen Haftbefehl gegen Taylor wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgestellt. Taylor, der nach Ansicht Gerdes immer bestrebt war seinen Machtbereich in Westafrika auszudehnen und damit als der Haupt-Destabilisierer der Region gilt, hatte in den 1990er Jahren die gefürchteten RUF-Rebellen (Revolutionäre Vereinigte Front) in Sierra Leone unterstützt. Er galt als enger Vertrauter von RUF-Führer Foday Sankoh. Taylor machte in bester Warlord-Manier den Krieg zu seinem Geschäft. Aus Sierra Leone schmuggelten die RUF-Rebellen Blutdiamanten nach Liberia, Taylor bezahlte sie mit Waffen, Drogen und Treibstoff.

Bildung gepaart mit Skrupellosigkeit und Machtgier

Dass Taylor Bushs Rücktrittsforderung folgt, ist so gut wie ausgeschlossen. Sein Naturell verbietet es ihm. Er würde wahrscheinlich lieber sterben. "Taylor ist in einem äußerst brutalen Umfeld aufgewachsen", sagt Gerdes. Daran ändert auch nichts, dass er in einem wohlhabenden Vorort von Monrovia geboren wurde. "Er hat gelernt, wie man sich mit Gewalt durchsetzt", so Gerdes. Bei seinem Aufstieg half ihm auch ein Wirtschaftsstudium in den USA, mit dem sich der 55-Jährige gerne brüstet. Es gab ihm die Kenntnisse, sich ein Machtsystem aufzubauen, das auf persönlichen Kontakten ruht und von den Einnahmen aus Diamanten und dem Handel mit Edelhölzern gespeist wird.

Zivilisiert hat ihn das Studium allerdings nicht. "Er ist ein Machtpolitiker, der keine Kompromisse eingeht", so Gerdes. 1989 war Taylor mit seiner eigenen Rebellentruppe NPFL, die zum großen Teil aus Kindersoldaten bestand, von Elfenbeinküste aus in Liberia einmarschiert. Er stürzte den Präsidenten Samuel Doe, dem er einige Jahre zuvor noch zur Seite gestanden hatte. Die brutale Ermordung Does durch einen seiner Soldaten, die auf einem Video dokumentiert wurde, erregte weltweit Empörung.

Herrschaft der Angst

Dennoch erlangte der Warlord kurzfristig eine gewisse internationale Anerkennung. Bei den Wahlen 1997 siegte er mit über 75 Prozent der Stimmen. Auch wenn internationale Beobachter die Wahlen als fair und frei anerkannten, viele Menschen sahen keine echte Alternative zu Taylor. Sie fürchteten die Macht und die Grausamkeit des Kriegsfürsten, der durch die Tropenholz- und Minengeschäfte Millionen Dollar verdiente. Gerne präsentierte er sich in weißem Anzug, unter dessen Ärmel eine mit Diamanten besetzte Uhr glitzerte. Gleichzeitig versank die Bevölkerung in Armut. Wie lange sich Taylor noch hinter den Mauern seines Präsidentenpalastes gegen den Vormarsch der Rebellen halten kann, ist unklar. Doch auch wenn Taylor fällt, die Gewaltspirale wird sich weiter drehen.