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Das Ende der G8

10. Juli 2009

In Italien haben sich die Gruppe der Acht nicht exklusiv getroffen. Mit am Tisch saßen auch Schwellen- und Entwicklungsländer. Nur so konnten Beschlüsse zum Kampf gegen Armut, Erderwärmung und Rezession getroffen werden.

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Was 1975 als Kamingespräch auf Schloss Rambouillet bei Paris begann, hat im italienischen L'Aquila sein Ende gefunden: der Weltwirtschaftsgipfel der wichtigsten westlichen Industriestaaten, ein Klub, dem seit 1998 auch Russland angehört. Die G8 haben sich überlebt. Das haben mit ziemlicher Verspätung auch deren Staats- und Regierungschefs erkannt.

Die Teilnehmerstaaten des Weltwirtschaftsgipfels erzielen zwar immer noch knapp 60 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, aber spätestens in der globalen Rezession ist deutlich geworden, dass diese Staaten längst nicht mehr in der Lage sind, allein die Geschicke von Weltwirtschaft und Weltpolitik zu bestimmen. So haben denn in jeweils unterschiedlicher Zusammensetzung zeitweise 39 Staats- und Regierungschefs am diesjährigen Weltwirtschaftsgipfel teilgenommen.

G8 reicht nicht mehr aus

Karl Zawadzky, Leiter der Wirtschaftsredaktion DW-Radio (Foto: DW)
DW-Experte: Karl ZawadzkyBild: DW / Christel Becker-Rau

Klar ist: Ohne die großen Schwellenländer wie China, Brasilien, Indien, Mexiko und Südafrika kommt die Weltwirtschaft nach ihrem tiefen Fall so schnell nicht wieder in Gang. Und: Auch die ärmsten Länder der Welt haben eine Stimme, die es verdient, gehört zu werden. Denn zum Beispiel die derzeitige Weltrezession, die von den Industriestaaten ausgegangen ist, hat ihre schlimmsten Auswirkungen in Entwicklungsländern.

So ist die Zahl der hungernden und in extremer Armut lebenden Menschen der Dritten Welt in der Folge der Wirtschaftskrise auf mehr als eine Milliarde gestiegen; das sind 100 Millionen mehr als vor der Krise. Die Weltbank warnt, dass durch die krisenbedingte Zunahme der Armut in der Dritten Welt pro Jahr zwischen 200.000 und 400.000 Kinder sterben werden.

Kampf gegen Hunger und Armut

Da dies die Menschen und Regierungen in den Industriestaaten nicht gleichgültig lässt, ist auf dem Weltwirtschaftsgipfel ein Programm zur verstärkten Bekämpfung des Hungers beschlossen worden. Insgesamt 20 Milliarden Dollar (14,4 Milliarden Euro) wollen die Industriestaaten zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion in den ärmsten Ländern zur Verfügung stellen. Hilfe zur Selbsthilfe lautet das inoffizielle Motto des Programms. In der Entwicklungszusammenarbeit soll von Nahrungsmittellieferungen, die häufig nichts anderes sind als eine geschickt getarnte Verwertung der Überschussproduktion aus den Industriestaaten, auf eine Steigerung der Erzeugung in den ärmsten Ländern umgesteuert werden.

Kampf gegen die Erderwärmung

Auch der Kampf gegen den Klimawandel erfordert eine gemeinsame Anstrengung der reichen wie der armen Länder. Auch hier sind die größten Schäden von den Industriestaaten verursacht worden, die nun dafür sorgen müssen, dass beim Umsteuern nicht die Entwicklungsmöglichkeiten der armen Länder beschnitten werden. Mit der Festlegung des Ziels, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen, ist in L'Aquila ein beachtlicher Fortschritt auf dem Weg zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen im Dezember in Kopenhagen erzielt worden.

Das gilt auch für die Selbstverpflichtung der Industriestaaten, ihre CO2-Emissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, während die Schwellenländer "signifikante Einsparungen" akzeptiert haben. Nun müssen die verbleibenden 150 Tage bis zur Klimakonferenz für die Konkretisierung der Zwischenschritte sowie der technischen und finanziellen Hilfe an die Schwellen- und Entwicklungsländer genutzt werden. Das Thema ist dringlich, die Zeit eilt.

Kampf gegen die Wirtschaftskrise

Ebenso ist eine gemeinsame Anstrengung zur Überwindung der Weltrezession nötig. Dabei ist klar: Die Krise ist von den Industriestaaten ausgegangen, aber alle Staaten dieser Welt sind in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Industriestaaten allein können die Krise nicht überwinden; die Finanzkraft und die Märkte der großen Schwellenländer werden dabei benötigt. Insofern hat die Finanz- und Wirtschaftskrise bei allen Beratungen des diesjährigen Weltwirtschaftsgipfels direkt oder indirekt eine wichtige Rolle gespielt.

Die G8 haben ihre relative Ohnmacht erkannt. Sie werden deswegen ihren Klub nicht auflösen, sondern ihn zur Verständigung auf gemeinsame Positionen zum Beispiel bei der Reform der Finanzmärkte und zur Vorbereitung größerer Treffen nutzen. Die wichtigen Entscheidungen werden künftig im Kreis der G20, also unter Mitwirkung der Schwellen- und Entwicklungsländer fallen. Keine Staatengruppe kann ihre Probleme alleine lösen. Daraus wird die Konsequenz gezogen: Als Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise rückt die Welt enger zusammen. G8 war gestern; die Zukunft gehört den G20.

Autor: Karl Zawadzky

Redaktion: Insa Wrede