Das Centovalli und die Wasser des Lebens
Die Landschaft des südschweizerischen Tessin ist von Flüssen und Bergen geprägt - und von geheimnisvollen Tälern. Das Centovalli ist eines von ihnen. Wir folgen dem Weg des Wildbaches, der es durchströmt, der Melezza.
Römerbrücke ohne Römer
In 26 Meter Höhe beugt sich die Ponte Romano über den Fluss Melezza. Und obwohl sie römische Brücke genannt wird, ist sie weit nach der Römerzeit gebaut worden, nämlich 1578. Ganz aus Stein, ist sie Verbindungsstück zwischen dem Tessiner Dorf Intragna zu einem Pfad Richtung Italien. Gar nicht so weit das Centovalli hinauf, befindet sich die italienische Grenze.
Über die Brücke
Nur 36 Meter ist sie lang, vor über 500 Jahren dennoch eine bauliche Leistung und zudem kunstvolles Bauwerk. Ganz oben auf der Brücke haben die Erbauer einen kleinen Bildstock eingelassen: Die Jungfrau Maria und der "Brückenheilige" Johannes Nepomuk sollen den Querenden Schutz gewähren.
Unter der Brücke
Zusammen wurden das Valle Vigezzo (wie der italienische Teil des Centovalli heißt) und das Centovalli früher als "Kaminfegertal" bezeichnet: Zalreiche Kinder der bitterarmen Region wurden noch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in größeren Städten als Kaminfegerhilfen ("Spazzacamini") ausgebeutet. Der Jugendbuch-Klassiker "Die Schwarzen Brüder" von Lisa Tetzner handelt von ihrem harten Schicksal.
Wilde Gewässer
Was hier so idyllisch und friedlich aussieht, kann ungeheure Gefahren bergen: Bei Gewitter kann der Pegel der Flüsse blitzschnell ansteigen - und alles mit sich reißen. Die Grenzstadt Camedo im nördlichen Centovalli hält übrigens den Schweizer Rekord in Sachen Niederschlagsmenge - mit rund 2400 mm pro Jahr.
Centovalli-Bähnchen
Seit 1923 fährt das Centovalli-Bähnchen durch das wilde Tal - von Locarno bis ins Domodossola, in Italien. Damals war es ein Prestigeprojekt, Teilstück der großen Alpentraversalen, der Verbindung zwischen der französischen Schweiz und dem Tessin. 1100 Höhenmeter überwindet die "Centovallina", über atemberaubende Schluchten und durch 31 Tunnels. Heute ist die Panoramafahrt auch Touristenattraktion.
Künstler, Touristen, Nudisten
Touristen sind eigentlich in allen Tessiner Tälern zu finden. Literaten und Künstler siedelten sich vorzugsweise im Onsernonetal an. Am Flussteil zwischen Intragna und Verscio gibt es immer wieder Streit: Trotz Verbotsschildern kommen gerne Nudisten zum Nacktbaden.
Wo alles zusammenkommt
Die Melazza vereinigt sie sich erst mit dem Isòrno, der aus dem Onsernonetal zufließt und schließlich mit der Maggia. Nun strömen die alpinen Wassermassen gemeinsam nach Locarno zum Lago Maggiore. Auch das Wasser des Verzsacatals mit seinen unzähligen Wasserfällen mündet in diesen See.
Bestimmungsort: Lago Maggiore
Schwimmt man auf den Lago Maggiore hinaus, wird einem auf besondere Weise das alpine Wesen der Region bewusst. Hohe Berge flankieren den Norden des schweizer-italienischen Grenzsees. Im Sommer sind zwar die Bergspitzen nicht schneebedeckt, aber manchmal steigt dennoch ein Gefühl von Demut in einem auf. Und das ist vielleicht nur im Anblick dieser ewigen Riesen zu haben.