Das Buch als Kunstwerk
24. Januar 2013Es ist so eine Sache mit dem Buch und dem Internet. Der Leipziger Student Benjamin Buchegger vergleicht ihre Beziehung gerne mit dem Verhältnis der Malerei zur Fotografie. "Das Buch als Informationsträger stirbt und wird damit frei, selbst zur Kunst zu werden", meint Benjamin Buchegger. Der Student aus Österreich muss es wissen. Seit sieben Semestern studiert er an der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) in Leipzig. Genau dort, wo das Buch schon lange zum Kunstobjekt geworden ist.
Es gibt nur wenige Studiengänge in Europa, in denen sich Studenten so gründlich mit dem Medium Buch beschäftigen. Sie lernen nicht nur, wie es seit Jahrhunderten handwerklich gemacht wird, sondern auch, wie es in Zukunft noch am Markt funktionieren kann. Als Kunstobjekt, aber eben als industriell gefertigtes Produkt in Auflagenstärke. Im digitalen Zeitalter probieren die Studierenden aus, wie Bücher in kleinen Auflagen trotzdem ihr Publikum finden, wo es Nischen gibt, in denen das Buch überleben kann.
Alte Ideen, neu interpretiert
Buchkunst - so lautet der Studiengang, den Benjamin Buchegger studiert und der an der HGB zusammen mit Grafik-Design gelehrt wird. Nach fünf Jahren erhalten die Studierenden ihr Diplom. "Wir haben aus der Geschichte heraus natürlich eine besondere Expertise darin, was Bücher machen angeht", erklärt Professor Oliver Klimpel. Schließlich gehört die 1764 gegründete HGB zu den ältesten Hochschulen Deutschlands. In Leipzig, der Stadt der Buchmesse und der Verlage, spielte der Buchdruck auch in der Wissenschaft von Anfang an eine wichtige Rolle.
Klimpel lehrt Systemdesign und hat bis vor fünfzehn Jahren selbst in Leipzig studiert, mittlerweile pendelt der 39-jährige Professor zwischen Ostdeutschland und London. Dort betreibt er ein Büro für Grafik-Design. Den Begriff "Buchkunst" findet der Hochschullehrer etwas irreführend, "weil das eine althergebrachte Idee vom meisterlich gemachten Buch forciert". An der HGB dagegen suche man nach neuen Formen und Formaten, die das Buch bewahren und trotzdem weiter entwickeln, betont Klimpel. Etwa indem es als wichtige Ergänzung zu digitalen Informationsquellen wie Internet oder Filmen dient.
Studienplatz auch im Ausland begehrt
Um zu verstehen, wie das Buch überhaupt entstanden ist und welchen Wert es hat, drucken die Studenten an der Hochschule tatsächlich noch Bücher und setzen die Schriften per Hand. An der Hochschule lernen sie ein uraltes Handwerk, das im digitalen Zeitalter immer mehr verschwindet.
Die Klassen an der HGB sind klein, nur zehn bis fünfzehn Studierende werden pro Jahr und Studiengang aufgenommen. Anträge gibt es wesentlich mehr, etwa 600 Studierende sind derzeit an der Hochschule eingeschrieben. Zahlreiche Studenten kommen wie Benjamin Buchegger aus dem Ausland, denn international gilt der Studiengang Buchkunst als eine Besonderheit.
Interessiert an Tradition
Während die Studierenden im ersten Jahr noch allgemeine Grundlagen aus allen Bereichen der Hochschule kennenlernen, also auch Malerei, Fotografie und Design, folgen danach zwei Semester fachspezifische Grundkurse im jeweiligen Studiengang. Im Hauptsemester spezialisieren die Studenten sich dann auf verschiedene Bereiche der Buchkunst wie Typografie, Systemdesign, Illustration oder Schrift.
Die Schweizerin Aurelia Markwalder ist fast fertig mit ihrem Studium. Auch nach knapp fünf Jahren, die sie nun schon in Leipzig studiert, schwärmt sie für diese besondere Hochschule. Mit 26 kam sie an die HGB, zwei Ausbildungen hatte sie da bereits hinter sich. "Ich habe mich nirgendwo anders beworben, wollte unbedingt nach Leipzig", erzählt sie. "Es waren diese Werkstätten und die Tradition, für die ich mich entschieden habe."
Buchstaben aus Blei und Holz
Tatsächlich existiert hier noch immer ein riesiger Fundus an alten Druckerpressen und schweren Schriftsätzen, die im Studium und bei der Herstellung von Büchern eingesetzt werden. Professor Oliver Klimpel führt durch die Werkstätten, zieht Schubkästen auf und zeigt einen beachtlichen Bestand an alten Bleilettern und Holzbuchstaben. Jeder Buchstabe hat tatsächlich noch ein Gewicht, es ist ein Blick in die Geschichte. "Hier kann man das noch in die Hand nehmen und verstehen, was die Prozesse des Machens sind und worin sie sich von denen unterscheiden, die wir heute benutzen."
Echte Knochenarbeit sei das damals gewesen, betont Studentin Aurelia Markwalder. Doch genau dieses Bemühen um jeden einzelnen Buchstaben habe ihr dabei geholfen, das Buch anders wertzuschätzen, zu verstehen und für die Zukunft bewahren zu wollen. "Die Herstellung eines Buches ist für mich ein kostbares Handwerk, egal ob ich per Hand zeichne oder schreibe oder den Computer dafür nutze."