Kenia wählt
27. Dezember 2007Anzeige
144 registrierte Parteien, neun Präsidentschaftskandidaten und mehr als 2600 Anwärter auf die gut 200 Parlamentssitze. Die Zahlen suggerieren eine Wahl mit vielen Alternativen. Doch die Zahlen trügen. Tatsächlich geht es im wesentlich um zwei Personen: Mwai Kibaki, Präsident seit fünf Jahren, der wiedergewählt werden möchte, und Raila Odinga, ehemaliger Minister für Straßenbau unter Kibaki und jetzt Anführer der Opposition.
Korruption und Betrug
Wichtigste Themen im Wahlkampf: Korruption und Betrug. Beim Thema Kampf gegen Korruption hat Odinga die Nase vorn, so Professor Tom Namwamba von der Universtität Nairobi: "Odinga war sehr konsequent, sobald Dienstleistungen für Bürger beschnitten wurden. Er war ganz vorn dabei, die Korruption zu verurteilen, die weit verbreitet war in Kibakis Regierung. Und eben wegen dieser Kontinuität sehen ihn immer mehr Kenianer als Stimme der Vernunft."
Kibaki dagegen habe spätestens dann seine Glaubwürdigkeit eingebüßt, als er einige Minister wieder auf hohe Posten eingesetzt hat, die davor wegen Korruptionsvorwürfen freiwillig zurückgetreten waren. Schon zuvor war der eigens von Kibaki nominierte Korruptionswächter John Githongo aus Angst um sein Leben außer Landes geflüchtet.
Klares Wachstum - aber wer profitiert?
Dabei hat Kibaki eine durchaus gute Bilanz seiner fünfjährigen Amtszeit vorzulegen: ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von fünf Prozent, freie Grundschulbildung und größere demokratische Freiheit. So lautet denn auch Kibakis Wahlkampfmotto schlicht: Die Arbeit muss weitergehen. Viele Kenianer haben jedoch das Gefühl, dass das Wachstum vor allem Kibakis eigenem Volk zugute kommt, den Kikuyu. Sie bilden die größte Volksgruppe Kenias und profitieren schon seit der Unabhängigkeit am meisten vom wirtschaftlichen Reichtum des Landes.
"Die jungen Kenianer meiden Ethnizität", meint Professor Namwamba. "Aber die alte Garde in der Politik versucht, eine Bühne für ein Stammessystem zu errichten, und Kibaki hat diese Mentalität perfektioniert.“ Konflikte zwischen den rund 40 verschiedenen Volkgruppen Kenias zu schüren und zu nutzen, ist seit eh und je ein Machtinstrument kenianischer Politik. Es hat seit langem Tradition in der kenianischen Gesellschaft, Vertreter der eigenen Ethnie zu wählen, anstatt aus politischer Überzeugung für ein Wahlprogramm zu stimmen.
Droht der Notstand? Auch in diesem Jahr sind Menschen in mehreren Landesteilen Opfer politisch motivierter Überfälle, Morde und Vertreibungen geworden. In den vergangenen sechs Monaten sind bei Gewaltausbrüchen etwa 70 Menschen getötet worden. Vor allem Frauen, sie sich politisch engagieren wollten, hatten unter Repessalien zu leiden. Die Schlägertrupps kommen je nach Informationsquelle aus den regierungsnahen Polizeireihen oder sind von der Opposition angestiftet. Alle Kandidaten verurteilen freilich offiziell die Gewalt. Die Kenianer befürchten weitere Auseinandersetzungen, wenn die Ergebnisse bekannt gegeben werden. "D-Day" nennen die Kenianer denn auch den nahenden Wahltag, der Tag also, an dem sich alles entscheidet. Raila Odinga hat schon vorsorglich die Wahlkommission beschuldigt, am Wahlbetrug beteiligt zu sein. Der Präsident seinerseits wird ebenfalls kaum gewillt sein, sein Amt zu übergeben, glauben Analysten wie Tom Namwamba. Notfalls könne er mit der Ausrufung des Notstandes die Wahlen für ungültig erklären und vorerst weiter regieren.Anzeige