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Coronavirus wirbelt auch den Kunstmarkt auf

6. März 2020

Nicht nur der Kunstmarkt in Hongkong wird durch COVID-19 hart getroffen, die Auswirkungen sind weltweit zu spüren. Die Krise könnte das Geschäft mit der Kunst noch stärker in einen virtuellen Raum treiben.

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Hongkong Sotheby's Auktion
Bild: Getty Images/AFP/A. Wallace

Es war eine Art Big Bang für Hongkong und die Kunstwelt. Obwohl alles mit wenigen, kaum Aufsehen erregenden Pressemitteilungen losging, wurde daraus für die frühere britische Kolonie doch eine wirklich schlechte Nachricht.

Zuerst wurde die Art Basel in der Stadt abgesagt, dann wurde das Hongkong Arts Festivals gestrichen, bevor es richtig losgehen konnte. Auktionshäuser wie Christie's und Bonham's legten Notfallpläne auf und verschoben ihre Auktionen. Am 24. Februar verschickte Sotheby's einen eigenen "revidierten Fahrplan" für die Frühjahrsauktionen. Einige Verkaufsschauen wurden verschoben, andere nach New York verlegt.

Bis dahin war Hongkong das Tor zum wachsenden asiatischen Kunstmarkt. Käufer und Verkäufer hatten die Stadt zu einer wichtigen Drehscheibe in Sachen Kunst gemacht. Mittlerweile in einer Liga mit New York und London wurde Hongkong zum Epizentrum für zeitgenössische und moderne chinesische Kunst und für westliche Kunst in Asien (aber auch für Wein). Zusammengenommen stehen China, die USA und Großbritannien für mehr als 80 Prozent des weltweiten Kunstmarkts, wenn man den Verkaufswert zugrunde legt.

China Hongkong Sotheby´s Glasvase aus der Qing-Dynastie
Der teuerste Posten bei Sotheby's Asia 2019: eine 300 Jahre alte Vase aus Peking - Verkaufspreis: 26,4 Millionen DollarBild: picture-alliance/Photoshot

Monate andauernde Demonstrationen in Hongkong und nun die wachsende Liste von abgesagten Auktionen scheinen den Tod des asiatischen Kunstmarkts anzuzeigen. Kathryn Brown, Kunsthistorikerin aus Großbritannien und Expertin für den Kunstmarkt, ist da allerdings optimistischer: "Der Kunstmarkt ist widerstandsfähig. Kunst übersteht so manche Katastrophe, und als Anlage ist Kunst auch deshalb so widerstandsfähig, weil sie nicht von Produktionsketten abhängt", sagte Brown gegenüber der DW.

Der Umsatz des weltweiten Kunsthandels lag 2019 bei 56,7 Milliarden Euro, so die jüngste Bilanz des Art Basel and UBS Global Art Market Report. Einbrüche in Hongkong dürften eher zeitlich begrenzt sein und von anderen Regionen ausgeglichen werden. "Der Kunstmarkt ist ein gigantisches globales Network, und unterschiedliche Teile dieses Netzes können andere Bereiche auffangen", so Brown. Und das gelte auch für Kunstauktionen, sagt die Expertin.

Who is who

Sotheby's waren die Ersten, die in der Region aktiv wurden, in Hongkong schon 1973, in China 2012. Erst im vergangenen Juni gab das Unternehmen bekannt, Patrick Drahi werde Sotheby's für 3,7 Milliarden Dollar übernehmen, nachdem das Auktionshaus bis dahin 31 Jahre als Aktiengesellschaft geführt worden war. Die Rückkehr in Privatbesitz sollte der Firma, ohne die Pflicht zur Vorlage von Quartalsberichten, größere Bewegungsfreiheit geben.

Sotheby's machte 2019 bei mehr als 400 Auktionen einen Umsatz von 4,8 Milliarden Dollar. Davon entfielen 939 Millionen auf Asien, was das Auktionshaus nach eigenen Angaben zur Nummer eins in der Region machte. Kunden aus Asien tätigten demnach rund 30 Prozent aller Käufe. Insgesamt lag Sotheby's Umsatz aber unter dem Vorjahreswert von 5,3 Milliarden Dollar.

Besser erging es auch Konkurrent Christie's nicht; die Firma ist seit 1998 im Besitz des französischen Milliardärs Francois-Henri Pinault. Auch bei Christie's lag der Umsatz 2019 mit 5 Milliarden Dollar deutlich unter dem Wert des Vorjahres mit 7 Milliarden Dollar.

Jahrzehnte lang waren die beiden Auktionshäuser die erste Adresse, wenn es um teure Kunst ging. Verkäufer wie Käufer hatten kaum eine andere Option.

Richtungswechsel

In letzter Zeit war der internationale Kunstmarkt durch die Nachfrage aus China massiv angeheizt worden. Nach Einschätzung etlicher Beobachter waren es die Kunden aus China, die dem Markt aus einer langen Flaute heraushalfen. Im letzten Jahr aber gab der chinesische Kunstmarkt nach Zahlen des online-Dienstes artprice.com um 9 Prozent nach. Übrigens zeigen diese Zahlen auch, dass sechs der weltweit zehn größten Kunstauktionäre ausschließlich in China tätig sind. Die anderen vier versuchen, einen Teil des Kuchens in der Region abzukommen. Wenig verwunderlich, dass die Bedeutung des Duopols von Christie's und Sotheby's schwindet.

China Guardians Auktionen debütieren in Hongkong
Außerhalb Chinas kaum bekannt, in China inzwischen eine ganz große Nummer unter den Auktionshäusern: China Guardians AuctionsBild: picture-alliance/dpa/J. Favre

Kathryn Brown, die Kunstmarktexpertin, unterrichtet auch an der Loughborough University, beobachtet allerdings, dass die Verwerfungen von Honkong unmittelbar auch zu anderen einschneidenden Veränderungen führen. Seit jeher galten für die großen Häuser Frühling und Herbst als festes Datum für ihre Auktionen. Erst spät verstand man hier, welche Bedeutung die sozialen Medien inzwischen haben und versuchte nun, auch Online-Käufer anzusprechen und verlegte gar ganze Auktionen ins Netz.

Seit jüngstem versuchen die großen Häuser, auch größere Kundengruppen anzulocken, indem sie Auktionen in die Zeit wichtiger Kunstmessen legen. Jetzt dreht sich der Spieß um, und es sind die Messen und Händler, die den anderen die Schau stehlen und ernster genommen werden. Galerien sind nun global aktiv und werden zu wiedererkennbaren und vertrauenswürdigen Marken.

Auch die Hemmungen beim Online-Kauf schwinden. "Immer mehr Kunst wird online verkauft. Die Händler verkaufen auf der Basis von jpg-Dateien. Die Leute schauen sich die jpgs an, und sie investieren auf der Basis dessen, was sie in digitaler Form sehen", sagt Brown und verweist darauf, dass die Art Basel mit "online viewing rooms" an den Start gegangen sei, nachdem die Messe abgesagt wurde -  VIPs wird auch hier ein gesonderter frühzeitiger Zugang angeboten.

Solche virtuellen Räume, genauso wie die wachsende Online-Präsenz von Galerien, machen den gängigen Geschäftsmodellen langsam den Garaus. Wenn auch noch in den Kinderschuhen, so sind derartige Modelle doch flexibler, haben geringere Fixkosten und eine größere Reichweite als die klassische Auktion oder die Galerie mit ihren fest gemauerten Ausstellungsräumen. Die Händler sind weniger abhängig davon, dass die Kunden zu ihnen kommen, sie müssen nur lernen, die neuen Technologien richtig einzusetzen.   

Und den (online-)Zuschlag erhält…

Es dürfte nicht weiter verwundern, dass die Käufer sich schneller auf die neuen Möglichkeiten einstellen. Viele sind jünger, sie sind mit dem Internet groß geworden und haben keine Probleme mit der Technologie. Der Handel hingegen hat Nachholbedarf.

Hongkong Art Basel 2019
Kunstfreund vor Bildern des deutschen Künstlers Jonathan Meese auf der Art Basel in Hongkong (im März 2019) Bild: picture-alliance/AP Photo/Kin Cheung

Es war im März 2019, als die Galerie Gagosian ein Gemälde des deutschen Künstlers Albert Oehlen von 1988 für die Rekordsumme von 6 Millionen Dollar verkaufte. Das war mehr als je zuvor in einer seiner Auktionen. Die Arbeit wurde im eigenen Showroom verkauft, "keine drei Stunden, nachdem sie freigeschaltet war und ohne dass der Käufer sie persönlich gesehen hatte", so ein Tweet des Managers der Galerie, Sam Orlofsky. Das war ein deutlicher Beleg dafür, dass Käufer bereit sind, eine Menge Geld für Dinge auszugeben, die sie niemals unmittelbar gesehen haben. Trotz dieses Weckrufs aber verläuft die Entwicklung langsam.

Und Hongkong mit seinen Problemen? "Wenn Verkäufe rein räumlich verlagert werden, heißt das ja nicht, dass nicht weiterhin erfolgreich verkauft wird… Leute, die bieten wollen, werden so oder so bieten", meint Kathryn Brown. Dennoch glaubt sie, dass die klassische Auktion in den Räumen des Handelshauses ihre Funktion haben: "Sie sind weiterhin wichtig, um Händler zu treffen, Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen und gesehen zu werden", sagt sie.

Alle Märkte hassen Unsicherheit, und die sich weltweit ausbreitende Corona-Krise könnte das traditionelle Geschäftsmodell der Auktionshäuser noch stärker aushebeln. Wenn der Geist aber einmal aus der Flasche ist und Kunden riesige Summen online ausgegeben haben, wird es kaum mehr ein Zurück geben. Immer mehr wirklich teure Kunstdeals werden zwangsläufig ins Netz verlagert, sodass dieser Markt wachsen wird. Bemerkenswert daran ist allein der Umstand, dass es womöglich eine katastrophale Pandemie braucht, um wirklichen Wandel herbeizuführen und eins der beständigsten Geschäftsmodelle zu einem Ende zu bringen, weil Kunstkäufer nun online von überall auf der Welt zugreifen.

Timothy Rooks, Deutsche Welle
Timothy Rooks ist Reporter und Redakteur in Berlin.