Coronavirus trifft US-Latinos hart
19. April 2020Nirgendwo greift die Corona-Pandemie in den USA schlimmer um sich, als in New York City. In den Krankenhäusern sterben so viele Menschen, dass sie mit Kühllastern abgeholt werden müssen. Eine Bevölkerungsgruppe ist dabei besonders betroffen: Latinos. Sie machen 34 Prozent der Toten aus, mehr als jede andere Bevölkerungsgruppe in New York.
New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio äußerte sich dazu diese Woche auf CNN. "Es gibt klare Ungleichheiten, klare Missverhältnisse, darin, wie diese Krankheit die Menschen unserer Stadt trifft", sagte de Blasio. Das gilt nicht nur für New York. Im ganzen Land steigen die Opferzahlen besonders schnell unter den Minderheiten wie Afroamerikanern, Latinos und Native Americans.
Jobs von Latinos eher von der Corona-Krise betroffen
Latinos sehen die Corona-Krise mit mehr Besorgnis als die durchschnittliche US-Bevölkerung. In einer Umfrage des renommierten Pew Research Centers sagten rund zwei Drittel (65 Prozent) der befragten Latinos, das Virus stelle eine große Bedrohung für die Gesundheit aller Menschen in den USA dar. Mit 47 Prozent sah es weniger als die Hälfte der US-Gesamtbevölkerung genauso. Die Umfrage wurde vom 10. bis 16. März, also relativ am Anfang der Corona-Krise, durchgeführt.
Die Hälfte der Latinos sah durch das Coronavirus ihre finanzielle Lage in Gefahr. In der Gesamtbevölkerung war es nur ein Drittel.
Ein Grund dafür könnte die Jobverteilung in den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sein. Eine Aufstellung der Denkfabrik Inter-American Dialogue zeigt, dass beispielsweise rund zwölf Prozent der Einwanderer aus Zentralamerika in den USA im Bereich Installationen und Reparatur arbeiten. Weitere knapp zehn Prozent arbeiten als Kellner oder im Bereich Essensvorbereitung, zum Beispiel in Restaurantküchen.
Zusammen sind das fast ein Viertel der Einwanderer aus Zentralamerika, die genau in solchen Jobs arbeiten, die jetzt in der Corona-Krise gestrichen, oder extrem heruntergefahren werden. In einer weiteren Pew Research Center Umfrage von Ende März sagte fast die Hälfte aller Latinos, jemand in ihrer Familie habe in der Corona-Krise einen Job verloren oder musste eine Gehaltskürzung hinnehmen. In der Gesamtbevölkerung hatten das ein Drittel der Menschen erlebt.
"An vorderster Front, als das Coronavirus angriff"
Bei ihrer Arbeit in Restaurants oder als Reinigungspersonal stecken sich Latinos auch eher mit dem Coronavirus an. "Latinos arbeiten in Jobs, in denen sie dem Virus mehr ausgesetzt sind als Büroangestellte, die von zuhause arbeiten können", sagte Dr. Manuel Orozco, Einwanderungsexperte vom Inter-American Dialogue, der DW. "Sie waren an vorderster Front, als das Coronavirus angriff."
Minderheiten wie Latinos und Afroamerikaner haben zudem mehr Vorerkrankungen wie Asthma oder Diabetes als die US-Gesamtbevölkerung. Deswegen ist es wahrscheinlicher, dass eine Corona-Erkrankung einen schweren Verlauf nimmt. "Wir haben in den USA besorgniserregende Ungleichheiten was Gesundheit angeht", sagt Dr. Ashwin Vasan der DW.
Vasan ist Medizinprofessor an der Columbia University und Arzt am New York Presbyterian Hospital. "Das Virus verschlimmert diese Ungleichheiten, die es seit Jahrhunderten gibt, noch immer." Die Todesrate durch das Coronavirus sei bei Afroamerikanern und Latinos zweimal so hoch wie bei weißen US-Amerikanern.
Viele Latinos haben keine Krankenversicherung
Vasan weißt auf ein weiteres Problem hin: Latinos machen den größten Anteil der Gruppe nicht-krankenversicherter US-Amerikaner aus. Viele der Einwanderer aus Mittelamerika, die keine Krankenversicherung haben, sind ohne Aufenthaltsgenehmigung in den USA. Sie gehen nicht zum Arzt, weil sie Angst haben, dass jemand nach ihren Papieren fragt. Abschiebungen sind nämlich auch während der Corona-Krise nicht ausgesetzt.
"Wenn Einwanderer nicht zum Arzt gehen, weil sie sich Sorgen um ihren Einwanderungsstatus machen müssen, ist das ein Gesundheitsrisiko für uns alle", sagt Vasan. Schließlich ließe sich die Pandemie im Land nicht unter Kontrolle bringen, wenn das Virus in Nachbarschaften, wo Einwanderer leben, weiter wüten kann.
Orozco wünscht sich "mehr Mitgefühl" gegenüber Einwanderern. In Kalifornien gebe es bereits Kliniken, die Menschen ohne Papiere ihre Hilfe anbieten. Daran, so Orozco, sollte sich das ganze Land ein Beispiel nehmen. Vasan sagt, es müsse spezielle Corona-Experten geben, die die Sprache der Einwanderer sprechen und ihre Kultur verstehen. Diese könnten dann für flächendeckende Tests und für das Einrichten von Isolationszentren in Einwanderer-Gemeinden geschickt werden.
"Wir können nicht nur einen Lösungsweg für so viele verschiedene, vielfältige Communities haben. Wir müssen Vertrauen aufbauen", sagt Vasan. "Unsere Strategie gegen das Coronavirus wird danach bewertet werden, wie wir den Schwächsten in unserer Gesellschaft helfen. Niemand von uns ist in Sicherheit, so lange nicht alle in Sicherheit sind."