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Politik

Urpilainen: Afrika braucht Schuldenerlass

21. April 2020

Die EU wendet gigantische Summen gegen die Corona-Krise auf. Für Afrika bleiben eher kleine Hilfen übrig. Das stimmt nicht, meint die EU-Kommissarin für Internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, im DW-Gespräch.

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Brüssel | Pressekonferenz zur EU-Afrika-Strategie mit Jutta Urpilainen
EU-Kommissarin Urpilainen: Multinationale Zusammenarbeit verteidigen Bild: Getty Images/AFP/J. Thys

Deutsche Welle: Die Europäische Kommission und die Mitgliedsstaaten haben versprochen, rund 20 Milliarden Euro für den Kampf gegen die COVID-19-Pandemie für ärmere Staaten in Afrika und anderswo aufzuwenden. Angesichts der Summen, die in Europa jetzt ausgegeben werden, scheinen 20 Milliarden eher ein kleiner Betrag zu sein. Glauben Sie, dass das reichen wird?

Jutta Urpilainen: Das ist ein starkes Beispiel für unsere Solidarität. In der EU sind wir gerade im letzten Jahr unseres laufenden siebenjährigen Haushaltes und die Staats- und Regierungschefs verhandeln derzeit über den nächsten mittelfristigen Finanzrahmen. Unsere Mittel sind daher zu diesem Zeitpunkt sehr begrenzt. Deshalb haben wir versucht, die Mittel, die noch da sind, umzuleiten und neu zuzuordnen, um unseren Partnern in aller Welt und speziell in Afrika zu helfen. Die Größe dieses Pakets liegt jetzt bei 15,6 Milliarden Euro, die von der Europäischen Kommission kommen. Das ist schon eine ordentliche Größe. Wenn man die Beiträge der Mitgliedsstaaten und unserer Entwicklungsbank dazurechnet, kommen wir auf über 20 Milliarden Euro. Das ist ein starkes Signal unserer Partnerschaft.

Aber mittel- und langfristig wird das nicht reichen. Braucht man neben einer Stundung von Zinszahlungen nicht einen wirklichen Schuldenerlass für Afrika?

Ja, das stimmt. Ich habe mich in letzter Zeit mit vielen afrikanischen Führungspersönlichkeiten unterhalten. Ihre Botschaft war, dass sie natürlich begrüßen, was die EU macht. Gleichzeitig sind sie aber sehr besorgt über die hohe Schuldenlast, unter der eine ganze Reihe von afrikanischen Staaten leiden. Ich denke, der Schritt der G20, Zinsen zu stunden, war positiv, aber wir müssen mehr tun. Die EU unterstützt unsere internationalen Partner dabei, für einen Schuldenerlass mehr zu unternehmen. Diese Entscheidung können wir nicht allein treffen, aber wir unterstützen das Projekt. Das würde vielen afrikanischen Staaten wirklich helfen.

Kenia Corona-Pandemie
Kenia: Mit Masken gegen die Corona-Pandemie, die sich in Afrika ausbreitetBild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Sie hatten vor, ein erneuertes Cotonou-Abkommen zum Handel mit Afrika, den karibischen und den pazifischen Staaten (AKP-Staaten) bis Ende April auszuhandeln. Findet das noch statt trotz Corona?

Wir verhandeln tatsächlich die ganze Zeit weiter. Auf der technischen Ebene machen wir gute Fortschritte, aber wir haben es noch nicht geschafft. Wir können die Verhandlungen aber nicht mehr im April abschließen, weil nicht nur wir, sondern natürlich auch die AKP-Staaten sehr mit dem Coronavirus beschäftigt sind. Trotzdem bin in optimistisch, dass wir das Abkommen bis zum Sommer fertig haben werden. Die politischen Verhandlungen auf der Ministerebene müssen wohl nun in den Mai verschoben werden, aber der Prozess geht weiter.

Bevor das Coronavirus die Welt getroffen hat, waren Sie dabei, eine neue Afrika-Strategie zu entwickeln, die sich auf Klimaschutz, Digitalisierung, Migration und einer neuen Partnerschaft konzentrieren sollte. Ist das jetzt alles hinfällig?

Ich denke eher, dass die Corona-Krise der erste Test für diese neue Strategie ist. Es gibt sicherlich noch den Bedarf für eine Afrika-Strategie und ich bin ganz froh, dass wir die noch verabschieden konnten, bevor die Krise einsetzte. Wenn wir uns die Themen wie Klimawandel und Digitalisierung anschauen, dann sind die ja immer noch da. Natürlich müssen wir weiter mit unseren Partnern in Afrika zusammenarbeiten, um beim Klimaschutz voran zu kommen und Afrika an der Digitalisierung teilhaben zu lassen. Deshalb ist die Idee einer Afrika-Strategie immer noch sehr realistisch und nötig. Unser Ziel ist nach wie vor eine gemeinsame Erklärung mit unseren afrikanischen Partnern bei unserem Gipfeltreffen im Oktober zu unterschreiben.

Wer wird nach der Corona-Krise das Wettrennen um Einfluss in Afrika gewinnen. Wird das China sein oder tatsächlich Europa?

Also, ich glaube, wenn Sie auf die Zahlen und die Investitionen schauen, dann sehen wir, dass die EU immer noch der größte Investor in Afrika ist. Das wird auch nach der COVID-19-Krise so sein. Auf unserer Seite ist es jetzt wichtig, dass wir unseren Haushaltsrahmen (MFF) aushandeln, um die Mittel für die nächsten sieben Jahren zu bekommen. Das ist auch für die afrikanische Seite sehr wichtig, um die Sicherheit zu haben, Programme für die nächsten sieben Jahre planen zu können. Dabei geht es nicht nur um Afrika, sondern auch um Partner in Lateinamerika und Asien. Europas Rolle in Afrika war und ist wichtig. Ich bin fest überzeugt, dass unsere Partnerschaft, die wir gerade mit afrikanischen Staaten bilden wollen, in Zukunft noch stärker sein wird.

Sie wollen also eine Partnerschaft bauen und Sie haben angekündigt, dass die EU-Kommission eine geopolitische Kommission sein wird. Bleibt davon nicht nur noch eine Pandemie-Kommission übrig in dieser Krise?

Natürlich hat die EU-Kommission während der Pandemie sehr viel zu tun und ich bin auch sehr stolz darauf, was wir leisten. Dennoch sehen wir gerade in diesen Zeiten, wie wichtig internationale Partnerschaften und Zusammenarbeit sind. Ich denke, wir brauchen eine geopolitische Kommission, die eine regel-basierte multinationale Weltordnung verteidigt. Wir sehen eine Reihe von Akteuren in der Welt, die gerade jetzt, die Rolle der Vereinten Nationen und Multilateralismus in Frage stellen. Die Bedeutung von internationaler Zusammenarbeit ist ungebrochen. Die EU und die Kommission müssen das verteidigen und das tun wir, auch mit unserem Hilfspaket für die ärmeren Staaten.

Jutta Urpilainen (44) ist EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften. Die finnische Sozialdemokratin war bis 2014 Finanzministerin ihres Landes. Sie arbeitet zurzeit in ihrer finnischen Heimat im "Home Office".

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