Deutsche zwischen Gelassenheit und Angst
7. April 2020Wieviel Angst macht die Corona-Krise den Deutschen? Die neueste Untersuchung dazu hat das Versicherungsunternehmen R+V vorgelegt. Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage hat den Heidelberger Politikwissenschaftler Manfred Schmidt überrascht. Er führt die Untersuchung im Auftrag der Versicherung schon seit 15 Jahren durch.
Bis auf die stark gestiegene Angst vor einer Talfahrt der Wirtschaft bleiben die Deutschen mit Blick auf ihre Gesundheit und ihren Job im Moment eher gelassen. "Sie wirken erstaunlich sorglos oder cool", sagt Schmidt.
Kaum Ansteckungsängste
Wer brennende Sorgen der Deutschen um ihre Gesundheit vermutet, liegt falsch. Im Vergleich zu 2019 nahm die Angst vor einer schweren Erkrankung lediglich um sechs Prozentpunkte zu, von 35 auf 41 Prozent. Das ist der zweitniedrigste Wert seit 1992, den niedrigsten gab es im vergangenen Jahr.
"Das ist eine sensationelle Nachricht. Das hat mich echt erstaunt", sagt Schmidt. "Da schwingt eine eigentümliche Vermutung mit, dass man selbst gesundheitlich gut über die Runden kommt und das Risiko irgendwo anders ist." Der Wissenschaftler schränkt allerdings ein, dass die Altersstruktur der Befragten eine Rolle gespielt haben könnte. "Das Risiko ist bei den Älteren höher - hier aber wurde repräsentativ in allen Altersgruppen gefragt."
Schon bevor die Pandemie massiv ausbrach, war das Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap in seinem Deutschlandtrend allerdings zu etwas anderen Ergebnissen gelangt. Damals hatte gut die Hälfte (51%) der Deutschen Angst geäußert, dass sie sich selbst oder Familienangehörige mit dem Virus angesteckt haben könnten.
Drohende Rezession
In allen Untersuchungen zeigt sich aber: Die Sorge vor einer wirtschaftlichen Talfahrt wächst. In der R+V-Untersuchung schnellt die Zahl im Vergleich zu 2019 um spektakuläre 23 Prozentpunkte auf nun 58 Prozent nach oben. Die Sorge vor einer Rezession geht aber nicht unbedingt mit einer Angst vor einem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes einher.
Nur knapp ein Viertel der Befragten bangt um den eigenen Job - gleich viele wie 2019 und insgesamt so wenige wie seit 30 Jahren. Für Schmidt hat das viel mit Maßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld und anderen staatlichen Finanzspritzen zu tun. Das, glaubt Schmidt, sehen die allermeisten Deutschen als hilfreich und beruhigend.
Deutsche pessimistisch wie nie seit 1949
Dennoch: Von purer Gelassenheit kann keine Rede sein. Denn noch nie seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 waren die Deutschen so pessimistisch wie in der Corona-Krise. Das hat eine Umfrage des Allensbach-Instituts im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Ende März ergeben. Nur 24 Prozent blicken danach hoffnungsvoll auf die nächsten zwölf Monate. In ihrem "Hoffnungspegel" hatten die Allensbach-Forscher noch nie einen so niedrigen Wert gemessen.
In einem sind sich aber alle Umfrageinstitute einig: Die Regierung macht in den Augen der Deutschen in der Krise einen guten Job, und dafür wird sie gelobt. Zu diesem Ergebnis kommt auch die aktuelle R+V-Untersuchung. In den vergangenen zehn Jahren hielt fast die Hälfte der Befragten die Politiker in Krisen grundsätzlich für überfordert. Während der Finanzkrise 2010 (62 Prozent) und der Flüchtlingskrise 2016 (65 Prozent) waren es fast zwei Drittel.
Im Vergleich dazu, so Manfred Schmidt, fällt das Urteil der Deutschen in der Corona-Krise über die Politik eher mild aus. Nach der jüngsten Umfrage halten nur 46 Prozent der Deutschen die Politiker für überfordert - das zählt zu den niedrigsten Werten der vergangenen zehn Jahre.