Colonia Dignidad - Kolonie des Verbrechens
Von dem Namen "Colonia Dignidad" geht noch immer eine finstere Anziehungskraft aus. Im Süden Chiles wurden Gegner des Pinochet-Regimes gefoltert und getötet. Nun entsteht dort "Villa Baviera", ein bayerisches Dorf.
Von Wohltätigkeit keine Spur
"Gesellschaft für Wohltätigkeit und Erziehungsanstalt der Würde" - so lautet der ausführliche Name für die abgeschottete Siedlung Colonia Dignidad im Süden Chiles. Die Sekte wurde 1961 von dem deutschen evangelikalen Jugendarbeiter Paul Schäfer aus Bonn gegründet und diente während der Militärdiktatur in Chile (1973 - 1990) als Folterzentrum.
Der gute "Onkel Paul"
In den 1950er Jahren misshandelte Paul Schäfer Kinder einer Baptistengemeinde in Deutschland. Als die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufnahm, floh er nach Chile und gründete dort 1961 die Sekte Colonia Dignidad. Die zum Teil aus Deutschland entführten Kinder mussten Zwangsarbeit leisten und wurden sexuell missbraucht. "Onkel Paul" unterhielt gute Beziehungen zu rechtsextremistischen Kreisen.
Herr über Leben und Tod
In der Colonia wurden Regimegegner der Militärdiktatur gefoltert und ermordet, Kinder mit Elektroschocks gequält und missbraucht. Nach dem Ende der Diktatur 1990 flüchtete Schäfer vor der Justiz und tauchte unter. 2005 wurde er in Buenos Aires verhaftet und ein Jahr später wegen Missbrauchs in 25 Fällen verurteilt. Am 24. April 2010 starb er im Gefängnis von Santiago de Chile.
Wo sind unsere Kinder?
Am 5. Mai 1988 demonstrierten Angehörige von Jugendlichen, die in der Colonia Dignidad festgehalten worden waren, vor der Siedlung. Sekten-Gründer Schäfer gab vor, dort eine urchristliche Gemeinschaft aufbauen zu wollen. In Wirklichkeit wurde die Kolonie während der Diktatur von General Pinochet zu einer Filiale des chilenischen Geheimdienstes Dirección Nacional de Inteligencia (DINA).
Stippvisite beim Diktator
Der ehemalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauss (l.) pflegte nicht nur gute Beziehungen zu Chiles Diktator Augusto Pinochet (r.), den er im November 1977 besuchte. Er war auch ein gern gesehener Gast in der Colonia Dignidad. Dort hing bis Mitte der 1990er Jahre am zentralen Bau der Siedlung ein signiertes Porträt von dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten.
Pinochet geht, die Kolonie bleibt
Für Chiles Ex-Präsident Patricio Aylwin (1990-1994) war die Colonia Dignidad "ein Staat im Staat". Als erstes Staatsoberhaupt nach dem Ende der Diktatur (im Bild rechts mit Pinochet) bemühte er sich um einen ordnungsgemäßen Übergang zur Demokratie und verfolgte die Schließung der Enklave. 1991 entzog er der Organisation den Status der Gemeinnützigkeit.
Späte Sühne
Seit 2013 sitzt auch Kurt Schnellenkamp, Mitbegründer der Colonia, in Haft. Der 88-Jährige wurde von der chilenischen Justiz wegen Freiheitsberaubung Minderjähriger und sexuellem Missbrauch verurteilt. Sein Sohn Klaus, der aus der Siedlung floh, veröffentlichte 2007 unter dem Titel "Geboren im Schatten der Angst" ein umfassendes Dokument über seine Jugend in der Sekten-Siedlung.
Noch immer auf freiem Fuß
Die Gnade der deutschen Justiz scheint grenzenlos: Der frühere Vize-Chef der Colonia und Krankenhausarzt der Siedlung, Hartmut Hopp, floh nach einem Urteil der chilenischen Justiz 2011 nach Deutschland. Obwohl er mit einem internationalen Haftbefehl gesucht wird, soll er nach Medienberichten unbehelligt in Krefeld leben, weil Deutschland keine Landsleute ausliefert.
Ausflug in die Vergangenheit
Noch immer leben auf dem über 30.000 Hektar großen Gebiet in der Nähe der südchilenischen Stadt Parral ehemalige Colonia-Bewohner. Die Schlafsäle, wo früher Männer, Frauen und Kinder getrennt schliefen, wurden in Wohnungen umgewandelt, in denen jetzt Familien leben.
Willkommen im Reich des Schreckens
Unfassbar, aber wahr: Nach dem Ende der Schreckensherrschaft in der Colonia Dignidad wollen die Bewohner ihre Siedlung touristisch vermarkten. In der neuen "Villa Baviera" gibt es Jeep-Touren, Oktoberfest und Pläne für ein Museum, das die dunkle Vergangenheit zeigen soll. Doch der Widerstand gegen den wundersamen Wandel zum Eventdorf in den Anden wächst.
Hinter den Mauern der "Villa Baviera"
Die Suche geht weiter. 2005 gab Chiles Justiz ein Geheimarchiv der Colonia Dignidad frei, die nun unter dem Namen "Villa Baviera" firmiert. Das Archiv wurde auf dem Gelände der Siedlung gefunden und enthält rund 39.000 Karteikarten über Personen. Menschenrechtsgruppen erhoffen sich davon weitere Angaben über das Schicksal der Verschwundenen der Pinochet-Diktatur.