Sie ist grün, lesbisch und Bürgermeisterin
29. Oktober 2019In Kolumbiens Hauptstadt Bogotá hat die Utopie gewonnen. In einem in vielen Fragen sehr polarisierten Land setzt die Hauptstadt an ihrer Spitze auf Mäßigung und entscheidet sich für jemanden, der normalerweise keine Chance gehabt hätte: eine homosexuelle Frau aus bescheidenen Verhältnissen.
Claudia López ist eine Grüne und eine Ikone des Kampfes gegen die Korruption. Sie ist nicht nur die erste Frau, die das Bürgermeisteramt in der Hauptstadt übernimmt, sondern die erste offen lesbische Politikerin ihres Landes. Dies ist bemerkenswert in einer Region, in der zwischen 2014 und 2019 fast 1300 Menschen aus der LGBTI-Gemeinschaft getötet wurden. Kolumbien ist sogar eines der Länder mit der höchsten Zahl von Morden an Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen.
"Bogotá hat gegen den Machismo und die Homophobie gestimmt. Es besteht kein Zweifel: Der Wandel und die Gleichstellung sind unaufhaltsam", sagte López nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse am Sonntag.
Der historische Wahlsieg der grünen Politikerin hat eine Welle der Begeisterung bei denen ausgelöst, die sich seit Langem für die Rechte sexueller Minderheiten in Lateinamerika einsetzen. "Es ist ein sehr wichtiger Schritt, vor allem für die politische Sichtbarkeit lesbischer Frauen", sagt die Chilenin Érika Montecinos, Gründerin der feministischen Vereinigung "Das Schweigen brechen" im Gespräch mit der DW.
"Das Persönliche ist politisch"
Die "gläserne Decke" ist ein Ausdruck für die Diskriminierung von Angehörigen einer Bevölkerungsgruppe, wie zum Beispiel den Angehörigen der LGBTI-Gemeinschaft. Politische und ökonomische Führungspositionen bleiben ihnen verschlossen. In Lateinamerika haben sie erst in jüngerer Zeit begonnen, die "gläserne Decke" zu durchbrechen und Zugang zu Parlamenten und Kommunalverwaltungen erhalten. In Ecuador wurde beispielsweise die offen lesbisch lebende Carina Vance 2012 zur Ministerin ernannt.
Der Sieg von Claudia López blieb nicht ganz ohne Kontroverse, da im Internet Bilder veröffentlicht wurden, die zeigten, wie die gewählte Bürgermeisterin ihren Sieg mit einem leidenschaftlichen Kuss für ihre Lebenspartnerin, die Anwältin und Politikerin Angélica Lozano, feierte. Kritiker meinten, dass solche Zeichen der Zuneigung in der Privatsphäre bleiben sollten.
"Als lesbische Aktivisten sind wir der Meinung, dass unsere sexuelle Orientierung politisch ist und über die rein private Beziehung zwischen zwei Menschen hinausgeht", meint Montecinos. "Der alte feministische Slogan 'Das Persönliche ist politisch' ist sehr aktuell, wenn man sich fragt, wie es gewesen wäre, wenn derselbe Kuss zwischen zwei heterosexuellen Menschen stattgefunden hätte."
Bogotá ist nicht Buenos Aires
Diana Rodríguez, Präsidentin des ecuadorianischen LGBTI-Verbands, weist auf regionale Unterschiede hin: "Es ist bedeutsam, dass dies in Bogotá und nicht in Buenos Aires geschehen ist. Die politischen und sozialen Fortschritte in diesem Bereich kamen immer aus Argentinien oder Uruguay." Die Aktivistin aus Ecuador ist überzeugt, dass eine Veränderung wie diese in einem Andenland wie Kolumbien ein enormes Potenzial für sozialen Wandel belegt.
Beide Aktivistinnen glauben, dass der Erfolg von Claudia López ein Beleg für einen tief greifenden Wandel in der Region ist, die noch immer von religiösen Fundamentalismus geprägt ist. "Claudia López repräsentiert die Veränderung in einem sehr konservativen Lateinamerika", sagt Rodríguez.
Ob der Enthusiasmus und die Hoffnungen sich wirklich in einem gesellschaftlichen Wandel niederschlagen, bleibt abzuwarten. Aber für Montecinos ist der erste Schritt getan. Sie verweist auf die erste offen lesbische Regierungschefin der Welt, die Isländerin Jóhanna Sigurðardóttir (2009 - 2013): "Von Lateinamerika aus betrachtet, sah das damals sehr weit weg aus." Doch jetzt ist sie optimistisch: "Wann werden wir unsere erste lesbische Präsidentin haben?"