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Nationenpreis im Springreiten - Männersache?

16. September 2021

Die deutschen Springreiter treten beim Nationenpreis des CHIO Aachen ohne eine Frau im Team an. Derzeit sind die Männer erfolgreicher - aber einige talentierte Reiterinnen stehen bereit, um nachzurücken.

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Springreiten Riesenbeck | Europameisterschaft Deutschland
Die deutsche Silber-Equipe der EM: André Thieme, Marcus Ehning, David Will, Otto Becker und Christian Kukuk (v.l.n.r.)Bild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance

Die deutsche Equipe der Springreiter hat beim CHIO in Aachen den Sieg beim Nationenpreis verpasst und ist dabei zum ersten Mal seit 2017 ohne Reiterin im Team angetreten. In den vergangenen Jahren war stets Weltmeisterin Simone Blum dabei, 2018 mit Laura Klaphake sogar eine zweite Frau. Doch Blums Toppferd Alice ist verletzt, Klaphake musste ihre Stute Catch me if you can Anfang 2019 abgeben, weil Besitzer Paul Schockemöhle sie verkaufte. Seitdem baut Klaphake ihre Karriere mit anderen Pferden neu auf. Bei der EM vor zwei Wochen ritten neben Marcus Ehning mit Christian Kukuk, David Will und dem späteren Einzel-Europameister André Thieme nur Männer. Auch in Aachen war in der Besetzung Ehning, Will, Daniel Deußer und Christian Ahlmann wieder eine rein männliche deutsche Equipe am Start. Warum keine Frau?

"Das hat im Springsport nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern einfach mit den Erfolgen oder der Perspektive. Es ist daher wahrscheinlich eine Momentaufnahme", sagt Bundestrainer Otto Becker der DW, räumt aber ein: "Wenn man in den internationalen Spitzensport guckt, auch in die Weltrangliste - da waren es schon mal mehr Frauen, die dort die vorderen Plätze belegt haben."  

Tatsächlich muss man die aktuelle Weltrangliste bis zu Platz 27 herunterscrollen, bevor mit der US-Amerikanerin Laura Kraut die erste Frau auftaucht. Von den deutschen Männern sind neun unter den Top 100 platziert, darunter mit Deußer auch die aktuelle Nummer eins der Weltrangliste. Die bestplatzierte Reiterin aus Deutschland findet man mit Janne-Friederike Meyer-Zimmermann, der Siegerin im Großen Preis von Aachen im Jahr 2011, erst auf Platz 107.

Einen Mangel an guten Springreiterinnen sieht Becker aber dennoch nicht. "Wir haben eine ganze Reihe Amazonen, die gut reiten", sagt er und nennt als Beispiele Jana Wargers und Sophie Hinners, zwei talentierte Reiterinnen, die den Sprung in die Spitze schaffen und in den kommenden Jahren auch bei großen Turnieren Erfolge feiern könnten.

Jana Wargers: Umzug nach Belgien

Um ihre sportliche Karriere voranzutreiben, ist Jana Wargers Anfang des Jahres aus Deutschland nach Belgien umgezogen, wo sie bei den Ashford Stables angestellt ist. Einem Stall, mit dem sie auch zuvor in Deutschland schon zusammengearbeitet hat. Die Ashford Stables sind auf die Ausbildung und den Handel mit hochwertigen Springpferden spezialisiert. Wargers trainiert die Pferde und reitet sie auf internationalen Turnieren, um sie dort potentiellen Käufern zu präsentieren.

Springreiten | Jana Wargers
Für Jana Wargers hat sich mit der Teilnahme am CHIO in Aachen einer ihrer sportlichen Träume erfülltBild: Friso Gentsch/dpa/picture alliance

"Unser Hauptaugenmerk liegt auf dem Verkauf der Pferde", sagt die 30-Jährige der DW, gibt aber zu, dass auch die eigenen sportlichen Ambitionen eine Rolle spielen. "Weil immer qualitativ sehr hochwertige Pferde da sind, denke ich, dass Ashford auch mal bereit ist, ein richtig gutes Pferd zu behalten." Anders als manche internationale Konkurrentin hat Wargers nicht die finanziellen Möglichkeiten, einfach ein erfolgversprechendes Pferd zu kaufen. Bei fertig ausgebildeten Tieren ist das heutzutage eine Millionen-Investition.

Erfolgreiche Töchter reicher Väter

Im Gegensatz zu beispielsweise Jessica Springsteen, der Tochter von Bruce Springsteen, Steve Jobs' Tochter Eve Jobs oder Jennifer Gates, der Tochter von Bill Gates - allesamt erfolgreiche US-Springreiterinnen - sind Wargers und alle anderen deutschen Springreiter auf potente Sponsoren angewiesen oder auf Besitzer, die ihnen ihr Pferd anvertrauen und es von ihnen bei Turnieren reiten lassen.

Wobei dabei immer die Gefahr besteht, dass großer sportlicher Erfolg auch einen Verkauf und damit den Verlust des Pferdes nach sich zieht. "Das ist leider so", bestätigt Wargers. "Denn irgendwann kommen die Angebote, bei denen der Besitzer nur noch schwer nein sagen kann."

Hinners: "Auch Frauen können vorne mitmischen"

Noch am Anfang ihrer Karriere im internationalen Springsport steht Sophie Hinners. Sie ist nach drei Jahren am renommierten Stall Hendrix in den Niederlanden nach Deutschland zurückgekehrt. Gemeinsam mit ihrem Freund, dem Springreiter Richard Vogel, und EM-Reiter David Will bildet sie Pferde aus und reitet sie auf Turnieren, um sie irgendwann in den Verkauf zu geben.

Springreiten | Sophie Hinners
Sophie Hinners ist eine der talentiertesten deutschen Springreiterinnen in der Altersklasse U25Bild: Jacques Toffi/imago images

Auf das System von Ausbildung und Weiterverkauf blickt die 23-Jährige eher unsentimental: "Ich bin damit aufgewachsen", sagt Hinners der DW. "Bei uns wurden früher immer alle Pferde verkauft, wenn es möglich war. Ich habe ehrlich gesagt auch kein großes Problem damit." Auch den momentanen "Männerüberschuss" in der deutschen Equipe sieht Hinners gelassen.

"Ich bin der Überzeugung, dass eine Frau genauso gut vorne mitmischen kann", sagt Hinners, die in diesem Sommer die deutsche Meisterschaft gewonnen hat und im deutschen U25-Kader steht. "Ich denke nicht, dass es eine große Rolle spielt, ob man ein Mann oder eine Frau ist", sagt auch Jana Wargers. "Am Ende muss man Glück haben, dass man das richtige Pferd hat, dann denke ich, macht das keinen Unterschied."

Bei schwierigen Prüfungen Erfahrung sammeln

Das sieht auch Bundestrainer Otto Becker so. Wegen ihrer sportlichen Erfolge hat er mit Wargers und Hinners sowie mit der 26-jährigen Kendra Brinkop eine dritte junge Reiterin für Aachen nominiert. Alle drei werden beim CHIO auch die schwierigsten Prüfungen mitreiten, den Preis von Europa und den Preis von Nordrhein-Westfalen, bei denen es Hindernis-Höhen von bis 1,55 Meter zu überwinden gilt. Läuft es gut, winkt vielleicht sogar eine Qualifikation für den Großen Preis von Aachen.

Zunächst aber geht es darum, Erfahrung auf hohem Niveau zu sammeln und sich für künftige Aufgaben zu bewähren, damit Nationenpreise demnächst möglicherweise keine reine "Männer-Angelegenheit" mehr sind. Schließlich gilt bei Otto Becker: "Ob Mann oder Frau spielt keine Rolle. Wir nominieren die Besten."