China und Indien in Afrika
8. Oktober 2012
Erst vor wenigen Wochen, im August 2012, hatte die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton den Zorn Chinas und Indiens heraufbeschworen. Auf ihrer ausgedehnten Afrikareise betonte sie bei einer Rede im Senegal, dass "die USA für Demokratie und die Einhaltung von Menschenrechte stehen. Selbst dann, wenn es leichter oder profitabler ist, wegzuschauen, um sich Zugang zu den Ressourcen zu sichern."
Seit langem stehen China und Indien in der Kritik, für ihr rasantes Wirtschaftswachstum rücksichtslos auf Einkaufstour in Afrika zu gehen. Dabei, so der Vorwurf, schrecken sie auch vor Geschäften mit international geächteten Staaten wie dem Sudan oder Simbabwe nicht zurück. Von den Investitionen käme der Bevölkerung nur wenig zugute. Ihrer Rohstoffe beraubt wäre es, so die Kritik, für viele afrikanische Staaten kaum möglich, auf Augenhöhe zu verhandeln.
"Geben und Nehmen"
Haiyan Wang ist die Gründerin des China-India-Instituts, eines Think Thanks in Washington, und Co-Autorin des Buchs "Getting India and China right". Sie bezeichnet die Vorwürfe im Gespräch mit der Deutschen Welle als Klischees: "Wenn man sich das Afrika-Engagement Chinas und Indiens heute anschaut, dann sieht man große Unterschiede zu den alten Zeiten, wo es den Kolonialherren nur darum ging, sich an Afrikas Ressourcen zum Nulltarif zu bereichern." China investiere im Gegenzug zu Öl- und Gaslieferungen in Infrastrukturprojekte wie den Bau von Straßen, Brücken oder Häfen, aber auch in den Bau von Krankenhäusern und Kraftwerken. Indiens Ansatz sei sogar noch weitreichender, so Haiyan Wang: "Indien bringt sein Unternehmertum und seine besten Geschäftsideen ein, um Arbeitsplätze zu generieren."Afrikas Rohstoffreichtum weckt seit jeher Begierden. Neben Öl und Gas gibt es auch große Vorkommen von Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Uran und Diamanten.
Kritik an US-Strategie
Im Juni 2012 hatte der amerikanische Präsident Barack Obama seine neue Afrika-Strategie vorgestellt. Sie konzentriert sich vor allem auf die Kernthemen Demokratie- und Wirtschaftsförderung, Entwicklung und Sicherheit. Vaidhyanatha Gundlupet- Venkataramu, Professor für Internationale Beziehungen, von der Universität von Texas in San Antonio sieht dies als beinahe verzweifelten Versuch, in Afrika nicht den Anschluss zu verlieren. Er weist darauf hin, dass China die USA mit 166 Milliarden Dollar Handelsvolumen bereits 2011 als größten Handelspartner Afrikas überholt hat. Zudem stoße die US-Strategie, auf Regierungsebene Demokratie und die Einhaltung von Menschenrechten zu beschwören, aber gleichzeitig ihre Wirtschaftskonzerne mit Verhandlungen zu beauftragen, in Afrika auf Kritik: "Die USA haben mit ihren multinationalen Konzernen wie Exxon eine eigene Art und Weise entwickelt, um an Ressourcen in Afrika zu kommen – und sie nehmen dabei auch die Partnerschaft mit fragwürdigen Regimen in Kauf. Dies hat die öffentliche Meinung in Afrika natürlich beeinflusst."
Das Image Indiens und Chinas sei positiver, weil für sie von vornherein nur wirtschaftliche Aspekte zählen. Dies würde als ehrlicher empfunden, sagt Gundlupet-Venkataramu: "Indien ist in Afrika populärer als China. Doch wenn es um die Höhe der Investitionen geht, dann sind die Chinesen den Indern doch um einiges voraus." Derzeit beträgt das Handelsvolumen zwischen Indien und Afrika etwa 60 Milliarden Dollar. Ziel des indischen Handelsministers Anand Sharma ist es jedoch, es auf 90 Milliarden US Dollar bis 2015 zu steigern.
Partnerschaft oder Rivalität?
In vielen Ländern Afrikas - von Äthiopien bis Uganda, von Nigeria bis Südafrika - sind Chinesen, die im Straßenbau oder beim Bau von Eisenbahnlinien tätig sind, ein gewohntes Bild. Die sehr gut durchorganisierte chinesische Strategie orientiert sich dabei an einem engen Kontakt zu Regierungen und operiert mit milliardenschweren Krediten.
Indien hingegen schickt nach Expertenmeinung etwas unorganisierter als China seine großen Mischkonzerne wie Tata und Godrej sowie Mobilfunk- und Energieversorger ins Rennen. Dabei wird Delhi nicht müde, die historische Nähe zu Afrika zu betonen. Indiens Nationalheld und Vater der Unabhängigkeit, Mahatma Gandhi, lebte Ende des 19. Jahrhunderts einige Jahre in Südafrika. Und genau wie viele Länder vor allem im Osten Afrikas, litt auch Indien unter den britischen Kolonialherren. In vielen afrikanischen Ländern sind Inder bis heute die größte ausländische Minderheit. Indien stellt zudem eines der größten Kontingente bei Friedensmissionen der Vereinten Nationen in Afrika und hofft auch auf die Unterstützung Afrikas bei seinem Bestreben nach einem ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat. Vier Mal besuchte der indische Premier Manmohan Singh daher in den vergangenen acht Jahren Afrika.
"Indien und China sind in Afrika keine Rivalen", sagt Sujit Dutta, Professor für Politikwissenschaft an der Jamia Milia Islamia, der islamischen Universität in Neu Delhi, gegenüber der Deutschen Welle. "Sie sind in unterschiedlichen Bereichen tätig, haben unterschiedliche Stärken und ergänzen sich daher. Eine Rivalität wird nur deshalb immer heraufbeschworen, weil Indien und China beide aufstrebende Mächte und Wirtschaften sind."
Doch in Zukunft werden sich auch China und Indien warm anziehen müssen: Brasilien, Russland und die Türkei sind nun auch in den Wettkampf um Einfluss in Afrika eingetreten.