Neue Behörde gegen Korruption
11. Januar 2017Auch 2017, dem Jahr, in dem Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping die Weichen für seine Nachfolge in fünf Jahren stellen will, geht die Anti-Korruptionskampagne unvermindert weiter. Die Politik der Säuberung des Staats- und Parteiapparats von korrupten Elementen, die sich gleichermaßen gegen "Fliegen" wie "Tiger" , also hohe und niedrige Funktionäre, richtet, ist das Markenzeichen der Präsidentschaft Xis und eine Hauptstütze seiner Legitimation in der Bevölkerung.
Zum Jahresbeginn hat die bei der Kampagne federführende Disziplinkontrollkommission der Partei wie gewohnt Bilanz ihrer Arbeit gezogen. Eine Premiere war allerdings, dass erstmals auch Korruption und Fehlverhalten in den eigenen Reihen der Korruptionsbekämpfer angeprangert wurde, und zwar öffentlichkeitswirksam im staatlichen Fernsehen CCTV. Ganze drei Folgen widmete CCTV in der ersten Woche des neuen Jahres den Bekenntnissen mehrerer Inspekteure der Kontrollkommission, die sich von Funktionären im Gegenzug für günstige Behandlung bestechen ließen.
"Dieselbe Mannschaft und Anschrift"
Laut Xinhua wurden auch erstmals zwei ehemalige Spitzenbeamte der Kontrollkommission, Wang Zhongtian und Li Jianbo, wegen "schwerer Pflichtverletzung" bestraft. Insgesamt seien seit dem Beginn der Anti-Korruptionskampagne Ende 2012 knapp 7900 Korruptionsermittler landesweit wegen Disziplinarverstößen bestraft worden, darunter 17 aus den Reihen der Disziplinkontrollkommission, wie diese auf ihrer Jahrespressekonferenz mitteilte.
Um die Kontrolleure besser zu kontrollieren, soll noch in diesem Jahr eine "Nationale Kommission für Überwachung" gegründet werden, teilte Xiao Pei, Chinas Vizeminister für Disziplinkontrolle, mit. Allerdings, räumte Xiao ein, handele es sich bei der neu zu gründenden Kommission um dieselbe Mannschaft, die bereits für die innerparteiliche Aufsicht zuständig ist, eben jene Disziplinkontrollkommission der KP Chinas. "Also zwei Institutionen, aber dieselbe Mannschaft und Anschrift", stellte Xiao klar.
Damit bleibt also das von westlichen Kritikern vielfach beschrieben Grundproblem bestehen, dass ohne das Korrektiv durch unabhängige Institutionen, freie Presse und politische Konkurrenz die Partei keine wirkliche Erneuerung durchlaufen kann. "Das Problem der Korruption entsteht, wenn die Praxis, die das System prägt, im direkten Widerspruch zum Gesetz steht", schreibt Dan Hough, Korruptionsforscher an der englischen Universität Sussex in der Hongkonger "South China Morning Post". "Da hilft es nicht, einfach mehr Menschen hinter Gitter zu sperren, die glauben, sie hätten nur das getan, was die anderen auch tun." Hough spricht sich für mehr Unabhängigkeit der neuen Antikorruptionsbehörde aus.
Laut dem Bericht für 2015 von Transparency International, einer Nichtregierungsorganisation, die sich weltweit für Bekämpfung von Korruption einsetzt, steht China auf Platz 83 von 167 des sogenannten Korruptionswahrnehmungsindex. Die Organisation weist in ihrem Bericht auf "erzwungene Geständnisse" und das "Fehlen einer unabhängigen Justiz" hin. "Deswegen ist es nicht möglich zu wissen, ob die Verhafteten Opfer politischer Verfolgung sind", heißt es weiter.
"Kampagne walzt alles nieder"
Von solchen Erwägungen unbeeindruckt legten die obersten Korruptionsbekämpfer ihre Erfolgszahlen vor: Seit 2014 wurden in China demnach knapp 1,2 Millionen Ermittlungsverfahren wegen Korruption durchgeführt und umgerechnet 1,2 Milliarden Euro Bestechungsgelder sichergestellt. Allein 2016 seien rund 410.000 Funktionäre, davon 76 auf Ministerebene oder höher, bestraft worden. Allerdings habe die Zahl der bei der Kommission gemeldeten Fälle erstmals seit 2012 abgenommen, hieß es. Chinas staatliche Medien vermeldeten dementsprechend, dass die "Ausbreitung der Korruption effektiv eingedämmt" worden sei und dass der Kampf gegen die Korruption inzwischen einen solchen "Schwung" entwickelt habe, dass aller Widerstand "niedergewalzt" werde.
Zu der Bilanz gehört auch die Rückführung von fast 2600 flüchtigen Funktionären im Zuge von Auslieferungs- und Repatriierungsverfahren. Seit 2015 fahndet China mit Unterstützung von Interpol, dessen Präsident aktuell von China gestellt wird, international nach 100 Korruptionsverdächtigen. Davon wurden 37 gestellt. Die restlichen werden überwiegend in den USA vermutet. Zwischen Peking und Washington besteht kein Auslieferungsabkommen. Chinesische Behörden dürfen verdächtigte Personen erst dann verhaften, wenn sie freiwillig in die Volksrepublik eingereist sind. "Über so ein Abkommen werden wir gerne mit den USA und anderen Ländern gleichberechtigt verhandeln", so Liu Jianchao, Sprecher der Disziplinarkommission der KP, "damit kein Land ein 'Paradies' für Kriminelle wird." China hat mit 48 Ländern Auslieferungsabkommen geschlossen, darunter mit Spanien, Italien und Frankreich.