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Casino, Spielschulden und der Profisport

Jun Yan
4. Juni 2017

Mitten während der Tischtennis-WM in Düsseldorf wird der chinesische Trainer der Frauennationalmannschaft Kong Linghui suspendiert. Grund dafür sind seine angeblichen Spielschulden in einem singapurischem Casino.

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Deutschland Tischtennis WM in Düsseldorf | Kong Linghui
Bild: picture alliance/dpa/Imaginechina/Liu Jianmin

Genauso außergewöhnlich schlagfertig wie die Ballwechsel in seiner aktiven Zeit als zweifacher Olympiasieger waren, so geschickt ist der General-Cheftrainer der chinesischen Nationalmannschaft Liu Guoliang der Frage ausgewichen, inwieweit Kong Linghuis Suspendierung den Erfolgsdruck auf die gesamte Mannschaft erhöht hat. Er bat die Journalisten daraufhin ausschließlich Fragen zusammenhängend mit den aktuellen Spielen zu stellen.

 Laut chinesischen Staatsmedien habe sich der Trainer der nationalen Tischtennisfrauen Kong Linghui 2015 während einer Ferienreise in Singapur umgerechnet gut 650.000 Euro für Spieleinsätze von einem Casino geliehen und später nicht vollständig zurückgezahlt. Das Casino in einem Luxushotel hat den ehemaligen Profi des Ex-Meisters TTF Ochsenhausen und des damaligen Bundesligisten TTF Bad Honnef demnach auf Erstattung der noch ausstehenden Restsumme von gut 300.000 Euro verklagt.

 Kong bestritt auf seiner Seite in Chinas Sozialnetzwerk Weibo jegliche Verwicklung in die Affäre. Die Spielschulden hätten Freunde und Verwandte gemacht, teilte die chinesische Tischtennis-Ikone weiter mit. Er selbst sei lediglich Bürge gewesen. Nun seien die Restschulden vollständig zurückgezahlt. Chinesischen Medienberichten zufolge ist das Casino dabei, die Klage zurückzuziehen.

"Sein Herz bleibt immer bei uns"

Für Kongs vorläufigen Nachfolger Li Sun hat der Spielschuldenskandal keinen großen Einfluss auf die Mannschaft. "Wir müssen nur organisatorisch ein paar Dinge ändern. Unsere Sportler konzentrieren sich weiterhin voll auf den Wettbewerb."

Kongs beste Sportlerin in der Mannschaft Ding Ning wiederholt hier gerne den Wortlaut ihres parteitreuen Politikunterrichtes: "Trainer Kong ist zwar körperlich nicht mehr hier anwesend, aber sein Herz bleibt immer bei uns. Er schaut weiterhin auf unsere Leistung. Es geht bei uns eben nicht um die einzelne Person, sondern um das Team als Ganzes", sagt die aktuelle Weltranglistenerste gegenüber Deutsche Welle.

Deutschland Tischtennis WM in Düsseldorf | Ding Ning
Ding NIng: "Er schaut weiterhin auf unsere Leistung"Bild: picture alliance/dpa/Imaginechina/Ling

 Dennoch gibt Ding zu, dass "sich die Mannschaft momentan in einer schwierigen Situation" befinde. Aber desto größer sei die Motivation, diese Situation zu meistern und noch bessere Leistungen zu erbringen. Der Skandal von Kong Linghui habe den Teamgeist sogar verbessert und die ganze Mannschaft vereint, sagt der verantwortliche General-Cheftrainer Liu Guoliang gegenüber dem chinesischen Staatssender CCTV. Tatsächlich sind die Chinesen in Düsseldorf wieder dabei, fast den kompletten Medaillenspiegel für sich zu beanspruchen.

 Der "Kick" außerhalb des Sports

 Obwohl sich Liu zu der Spielschulden seines langjährigen Mitstreiters nicht äußern möchte, weiß er ganz genau, dass nicht nur Kong Linghui, sondern viele professionelle Sportler in China unter Spielsucht leiden. In den Kreisen der chinesischen Profisportler ist es ein offenes Geheimnis, dass Sportler gerne ihr Glück in Casinos probieren. Da aber Glücksspiele um Geld in China offiziell verboten sind, nutzen viele Sportler die Gelegenheit eines Auslandsaufenthalts, um den Kick außerhalb des Sports zu finden.

 Für den Trainer der deutschen Nationalmannschaft Jörg Roßkopf ist Kong Linghui "ein feiner Kerl". "Was privat läuft, muss auch im Endeffekt seine Sache sein." Als einer der populärsten deutschen Tischtennisspieler Chinas sagtTimo Boll, dass er die Entscheidung der Suspendierung gewissermaßen verstehen könne. "Natürlich wird es auch in Deutschland nicht gerne gesehen, derartig negative Schlagzeilen eines Nationaltrainers zu lesen. Ich weiß nicht, ob er (Kong Linghui) eine Spielsucht hat. Ich hoffe nur, dass er es in den Griff bekommt." Ob der seit langer Zeit in China spielende Boll weiß, dass viele Sportler in China unter Spielsucht leiden? "Keine Ahnung, habe ich noch nicht mitbekommen." sagt der chinesische Tischtennisligameister mit einem kleinen Lächeln im Gesicht.