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Brexit: Die nächsten Schritte

Bernd Riegert24. Juni 2016

Noch ist Großbritannien volles Mitglied der EU. Die Scheidung wird lange dauern, vielleicht wird sie auch schmutzig. Die nächsten Schritte. Bernd Riegert aus Brüssel.

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Brexit Symbolbild EU Flagge Union Jack Europäische Union (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R.Peters

Wenn Überraschung und Enttäuschung über den Brexit in der EU-Zentrale verdaut sind, geht es ans praktische Arbeiten. Der britische Europa-Abgeordnete Syed Kamall, selbst britischer Konservativer und eigentlich Brexit-Gegner, hat es am Freitagmorgen so ausgedrückt: "Wir müssen jetzt gute Nachbarn werden, die EU und das Vereinigte Königreich." Das sind die nächsten Schritte:

- Großbritannien muss seinen Willen, aus der EU auszutreten, förmlich mit einem Brief an die 27 übrigen Mitglieder erklären. Wann das geschieht, ist unklar. Das Referendum in Großbritannien war nicht bindend. Zunächst muss das britsche Unterhaus den Premierminister beauftragen, die Austrittserklärung in Brüssel zu hinterlegen. Doch welcher Premierminister? David Cameron könnte schon bald zurücktreten. Dann wäre die Neuwahl des Premiers nötig. Allerdings sind im Unterhaus rund 70 Prozent der Abgeordneten gegen einen Brexit eingestellt.

Brüssel: EU-Gipfel - Cameron und Merkel (Foto: Getty Images/AFP)
David Cameron (hier beim EU-Gipfel mit Angela Merkel) kann den Brexit politisch nicht überlebenBild: Getty Images/AFP/S. de Sakutin

- Der Europäische Rat - also die übrigen 27 Mitglieder der EU - beauftragt die Europäische Kommission, einen Vertrag über die Austrittsmodalitäten mit Großbritannien auszuhandeln. Dafür ist im Artikel 50 des Lissabonner EU-Vertrages ein Zeitraum von zwei Jahren vorgesehen. Das könne aber auch schneller gehen, meint der Fraktionschef der Christdemokraten im Europäischen Parlament, Manfred Weber (CSU). Tausende von Rechtsvorschriften und Finanzbeziehungen müssen geprüft und entkoppelt werden. Der Austrittsvertrag muss von den Mitgliedsstaaten, dem Europäischen Parlament und natürlich Großbritannien gebilligt werden. Aufenthaltsrechte von EU-Bürgern in Großbritannien und umgekehrt müssen geklärt werden. Vereinbarungen über den Reiseverkehr sind nötig.

- Gleichzeitig oder vielleicht erst danach beginnen Verhandlungen Großbritanniens mit der Europäischen Union über das künftige Verhältnis. Möglich wäre ein Nachbarschaftsvertrag mit eingebautem zollfreiem Handel. Möglich wäre ein Beitritt Großbritanniens zur Europäischen Freihandelszone EFTA, in der zur Zeit Norwegen, die Schweiz, Liechtenstein und Island vertreten sind. Die Einzelheiten dieses völkerrechtlichen Vertrages auszuhandeln, würde nach Einschätzung von EU-Kommissionsbeamten Jahre dauern. Dieser Vertrag müsste von allen EU-Mitgliedsländern ratifziert werden. Dafür alleine sind normalerweise zwei Jahre angesetzt. "Der Deserteur wird nicht mit offenen Armen empfangen", hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor einigen Wochen bereits gesagt.

Karte: Brexit - EU ohne Großbritannien (Infografik: DW)
Unbekannte Gebiete: Wie wird die EU ohne Großbritannien funktionieren - und umgekehrt?

- In der Übergangszeit muss der Status der britischen Beamten geklärt werden. Sie könnten wahrscheinlich bis zum Ende ihrer lebenslangen Arbeitsverträge in Brüssel weiterarbeiten. Großbritannien müsste auch die Rentenansprüche für seine EU-Beamten zahlen. 73 britische Abgeordnete im Europäischen Parlament könnten bis zum tatsächlichen Austritt ihrer Heimat aus der EU stimmberechtigt an Sitzungen teilnehmen. "Man wird eine vernünftige Regelung finden", meinen EU-Beamte in Brüssel.

- Viele Wirtschaftsexperten erwarten einen Crash an den Börsen und einen Einbruch des Wirtschaftswachstums in Großbritannien. Die Europäische Zentralbank und die Notenbanken der Mitgliedsländer haben sich auf Stützungskäufe für das Britische Pfund verständigt. Die Banken in Europa sollen, wenn nötig, mit Liquiditätshilfen versorgt werden, damit ihnen das Geld nicht ausgeht. "Wir haben das im Griff, auch wenn niemand weiß, was genau passieren wird", sagte ein EZB-Insider der DW. "Die Börsen werden sich auch wieder erholen."

- Die EU wird sich mit der Ansteckungsgefahr des Brexits beschäftigen müssen. In Frankreich wird 2017 ein neuer Präsident gewählt. In den Niederlanden 2018 ein neues Parlament. Für beide Länder haben die Rechtspopulisten angekündigt, sie wollten ebenfalls Referenden zum Austritt aus der EU veranstalten. Marine le Pen in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden rechnen sich jetzt große Chancen mit dem Brexit im Rücken aus, wie sie bereits am frühen Freitagmorgen mitteilten.

- Das Verfahren mit Großbritannien wird viel Zeit und Mühe kosten und die Arbeitskraft der EU-Zentrale in Brüssel sehr lange strapazieren. "Die Mutter aller Krisen" nannte das ein EU-Beamter am Freitagmorgen spontan.