Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan beendet
29. Juni 2021Die Bundeswehr hat nach fast zwei Jahrzehnten ihren Einsatz in Afghanistan beendet. Die letzten verbliebenen deutschen Soldatinnen und Soldaten der NATO-Mission "Resolute Support" hätten das Einsatzgebiet verlassen, teilte das Bundesverteidigungsministerium mit.
"Ein historisches Kapitel geht zu Ende, ein intensiver Einsatz, der die Bundeswehr gefordert und geprägt hat, bei dem sich die Bundeswehr im Kampf bewährt hat. Ein Einsatz, bei dem Angehörige unserer Streitkräfte an Leib und Seele verletzt wurden, bei dem Menschen ihr Leben verloren haben, bei dem wir Gefallene zu beklagen hatten", erklärte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die derzeit zu Besuch in den USA ist.
Nach Angaben der Bundeswehr wurden die Soldatinnen und Soldaten mit vier Militärmaschinen aus dem Feldlager Camp Marmal in Masar-i-Scharif ausgeflogen. An Bord waren demnach auch die zur Absicherung des Lagers in den Norden Afghanistans verlegten Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK). Die letzte Maschine, eine A400M der Luftwaffe, verließ den afghanischen Luftraum um 21.24 Uhr. An Bord war der deutsche Kommandeur Ansgar Meyer.
Taliban auf dem Vormarsch
Die Bundeswehr hatte den Abzug zuletzt deutlich vorantreiben müssen, nachdem die US-Regierung unter Präsident Joe Biden den Abzug beschleunigt hatte. Washington hatten sich zunächst auf einen Abzug bis zum 11. September festgelegt, den 20. Jahrestag der Terroranschläge des islamistischen Netzwerks Al-Kaida in den USA. Aus den USA, die das größte Truppenkontingent in Afghanistan stellten, wurde jedoch auf einen Abzug bis zum 4. Juli - dem US-Nationalfeiertag - gedrängt.
In Afghanistan hat sich die Sicherheitslage seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen zugespitzt. Die radikal-islamischen Taliban sind seit einigen Wochen wieder auf dem Vormarsch. Seit 1. Mai haben sie etwa 90 der rund 400 Bezirke des Landes erobert. Das multinationale Feldlager in Masar-i-Scharif, das die Bundeswehr führte, war zuletzt mit Mörsern verstärkt worden, um Angriffe der Taliban während der Abzugsphase abwehren zu können.
Historischer Einsatz der Bundeswehr
Für die Bundeswehr bedeutete der Einsatz in Afghanistan ein neues Kapitel. Es war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und zur militärischen Unterstützung der USA aufgeschlagen worden. Der Bundestag hatte am 22. Dezember 2001 das erste Afghanistan-Mandat verabschiedet. Im Januar 2002 trafen die ersten Kräfte in der Hauptstadt Kabul ein. "Am 14. Januar 2002 beteiligten sich erstmals deutsche Soldaten an einer Patrouille in der kriegszerstörten Stadt", erklärte die Bundeswehr rückblickend.
Seitdem waren rund 150.000 Bundeswehr-Soldaten am Hindukusch im Einsatz, viele von ihnen mehrfach. 59 deutsche Soldaten kamen in dem Land ums Leben, 35 von ihnen wurden im Gefecht oder durch Anschläge getötet. "Meine Gedanken sind bei ihnen, sie bleiben unvergessen", erklärte Kramp-Karrenbauer in ihrer Stellungnahme. Für Deutschland war die Afghanistan-Mission der bislang tödlichste Militäreinsatz seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Kramp-Karrenbauer kündigt Bilanz an
Deutschland war im Norden Afghanistans Führungsnation und in dieser Rolle bis zuletzt bei der NATO-Ausbildungsmission "Resolute Support" engagiert. Vor dem Beginn der Rückverlegung im Mai waren noch 1100 Männer und Frauen der Bundeswehr am Hindukusch im Einsatz, die zweitgrößte Truppe der Mission nach der US-amerikanischen. Truppenteile wurden kontinuierlich nach Deutschland zurückgeflogen, Material im Umfang von 750 Seecontainern auf dem Land- und Luftweg nach Deutschland zurückgebracht, darunter waren rund 120 Fahrzeuge und sechs Hubschrauber.
Kramp-Karrenbauer kündigte eine Bilanz des Einsatzes an. "Wir werden offen darüber reden, was gut war, was nicht gut war und was wir gelernt haben", erklärte die Ministerin. Im Sommer sollten mit einem Festakt all diejenigen gewürdigt werden, die im Afghanistan-Einsatz gedient hätten.
ww/fw (dpa, afp, rtr)