Streit um Einfluss Chinas auf deutsche Hochschulen
6. Juli 2023Ob die chinesische Seite in irgendeiner Weise auf die Äußerung von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger reagiert hat? "Nein", beantwortet ihr Ministerium diese Frage der Deutschen Welle einsilbig.
Dabei hatte die FDP-Politikerin Ende Juni deutlich vor chinesischer Einflussnahme an deutschen Hochschulen durch sogenannte Konfuzius-Institute gewarnt. Der "direkten Einflussnahme" müssten "klare Grenzen" gesetzt werden, sagte Stark-Watzinger im Interview des "Handelsblatt".
Konfuzius, der von 551 bis 479 vor Christus lebte, gilt als der vielleicht wichtigste Philosoph Chinas. Vor knapp 20 Jahren etablierte Peking die staatliche Bildungsorganisation des Konfuzius-Instituts und begann 2004 weltweit mit der Errichtung solcher Einrichtungen. Nach Angaben der Konfuzius-Institute gibt es mittlerweile rund 500 von ihnen in mehr als 90 Ländern.
Offiziell sollen sie die chinesische Sprache verbreiten und das Verständnis für die chinesische Kultur fördern. Zugleich spielen sie eine wichtige Rolle im kulturpolitischen Öffnungsprozess der Volksrepublik. Zumeist, aber nicht nur geht es um Kooperationen mit örtlichen Partnerhochschulen und Universitäten. In Berlin gibt es in Sichtweite der CDU-Parteizentrale seit einer Reihe von Jahren das "Chinesische Kultur-Zentrum". Im Namen erscheint Konfuzius nicht, aber es agiert wohl ähnlich.
Vorwurf der Propaganda
Doch fast so alt wie die Geschichte der Einrichtungen ist die Kritik an ihnen. Vielen gelten sie als Propagandainstrument der autoritären Führung in Peking. Knapp gesagt: China gibt Geld für Forschungs- oder Wissenschaftsprojekte und Kulturvermittlung – und gewinnt damit Einfluss und Kontrolle. Die Freiheit der Wissenschaft, so Kritiker, stehe auf dem Spiel.
Die Konfuzius-Institute nutzen Uni-Räume, übernehmen oder erweitern das Chinesisch-Sprachangebot, organisieren Vorträge, kulturelle Angebote oder Schülerreisen. Die Kosten für die Institute teilen sich China über die außenpolitische Kulturorganisation und die Institute oder Hochschulen vor Ort, auch mit Förderung der Bundesländer.
Wie der Druck aus Peking konkret aussehen kann, zeigt ein Beispiel von der Universität Duisburg-Essen, über das mehrere Zeitungen berichteten: Dort hatte das 2009 begründete Institut im Herbst 2021 zur Lesung einer Biografie des chinesischen Staatschefs Xi Jinping geladen. Das Buch handelte unter anderem vom Personenkult um Xi. Auf Intervention aus Peking sagte das Institut die Lesung ab.
Warnung vom Verfassungsschutz
Insgesamt gibt es in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung 19 Konfuzius-Institute, überwiegend an Hochschulen. Die Bedenken wachsen. Einige Kooperationen wurden eingestellt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die Einrichtungen seit längerem in seinen Jahresberichten als Instrument der politischen Einflussnahme ein. "Im Bereich von Bildung und Forschung drohen Chinas Aktivitäten und Kooperationsformate die akademische Freiheit zu unterminieren", heißt es im aktuellen Text.
Bereits im Juni 2022 drängte Ministerin Stark-Watzinger in einem Interview der Tageszeitung "Handelsblatt" mit der Überschrift "Man darf nicht naiv sein" die Wissenschaft zur kritischen Überprüfung der Kooperationen. "Wenn ich Uni-Präsidentin wäre, gäbe es bei mir kein Konfuzius-Institut", so die Ministerin. Und: "Wir sollten uns klar abgrenzen." Das bekräftigte die Ministerin ein Jahr später.
Unterstützung bekam sie im gleichen Blatt vom Innenministerium, das ihre Kabinettskollegin Nancy Faeser (SPD) leitet. Das Haus sehe sehe die Kooperationen "aus Sicherheitsgesichtspunkten äußerst kritisch". Und auch aus der Union kam Zuspruch. "Hier kann man die Bundesregierung nur unterstützen", twitterte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen.
Die Appelle der Bundespolitiker sind das eine. Entscheidungen etwas anderes. Denn Bildungspolitik ist in Deutschland im Grundsatz Ländersache. Bei der Gründung der Konfuzius-Institute redet die Bundesregierung also nicht mit. Und weil deutsche Hochschulen und Universitäten oft finanziell knapp bei Kasse sind, nutzen sie Kooperationen.
So äußert sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zurückhaltend über ein mögliches Ende der Zusammenarbeit. Mit Hochschulen kooperierende Konfuzius-Institute seien "in erster Linie für den Sprachunterricht relevant". Sprecher Christoph Hilgert betont auf DW-Anfrage, es gelte: "Die Entscheidung der Hochschulen ist Teil ihres autonomen Handelns und sollte diesen überlassen bleiben."
Ein internationales Problem
Dabei ist der Umgang mit den Konfuzius-Instituten und dem Agieren Pekings längst kein nur deutsches Thema. Das Bundesbildungsministerium erklärte auf DW-Anfrage, das Thema werde auch im Kreise der EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission diskutiert.
Konkreter wird der Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer, der den Vorsitz der China-Delegation im Europaparlament innehat. "Das ist kein spezielles deutsches Problem, das ist ein internationales Problem", sagt er der Deutschen Welle. Er verweist auf die USA und Schweden. In beiden Ländern wurden Konfuzius-Institute in den vergangenen Jahren geschlossen. In den USA entstanden laut Presseberichten jedoch einzelne Einrichtungen unter anderem Namen erneut.
Auch in Großbritannien ist das Thema aktuell. Dort steht Regierungschef Rishi Sunak immer mal wieder in der Kritik, weil er zu lasch gegen China vorgehe. Im Juli 2022, als für den Parteivorsitz der Tories kandidierte, kündigte er an, die 30 Konfuzius-Institute im Land zu schließen. Im Mai 2023 nahm er - nun als Premierminister - die Ankündigung zurück. Als dies auf Kritik stieß, machte er im Mai in einem Interview Chinas Rolle in der Welt zum Thema. "Sie verhalten sich im Inland zunehmend autoritär und forsch im Ausland", sagte Sunak und sprach von einer "epochalen systemischen Herausforderung".
Für Reinhard Bütikofer ist der Kurs klar. "Diese Institute haben viel zu lange im Dunkeln munkeln können. Dass das Instrumente der Einflussnahme der Kommunistischen Partei Chinas sind, ist eigentlich seit langem offenkundig. Und deswegen sollten wir in aller Nüchternheit eine Grenze ziehen."