Bundespräsident ermahnt die Parteien
8. Oktober 2021Alle Parteien seien jetzt aufgefordert, zuallererst an das Wohl des Landes und nicht an eigene Interessen zu denken, sagte der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen. "Österreich kann sich jetzt keine Egoismen leisten", sagte das Staatsoberhaupt in einer kurzen Rede an die Nation.
Ohne Kanzler Sebastian Kurz und dessen ÖVP ausdrücklich zu nennen, ließ er seinen Unmut über deren Verhalten erkennen. Zwar hätten Beschuldigte ein Recht auf die Unschuldsvermutung, "aber auch die Bürgerinnen und Bürger Österreichs haben Rechte, unter anderem jenes auf eine handlungsfähige Regierung".
Grüne wollen nicht mehr mit Kurz
Die Grünen hatten am Freitag klargestellt, dass eine Fortsetzung ihrer Koalition mit der konservativen ÖVP angesichts der schweren Korruptionsvorwürfe gegen Kanzler Kurz nur ohne ihn möglich sei.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz und einige seiner engsten Vertrauten wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue. Das Team soll den Aufstieg von Kurz an die Spitze von Partei und Staat seit 2016 durch geschönte Umfragen und gekaufte Medienberichte abgesichert haben. Dafür seien Steuermittel geflossen. Die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe, die am Mittwoch nach einer Razzia im Bundeskanzleramt bekanntgeworden waren.
"Ich habe andere Erwartungen"
"Im Raum stehen schwere Anschuldigungen", sagte der Präsident. Es entstehe ein "Sittenbild, das der Demokratie nicht gut tut". Er habe andere Erwartungen an das Verhalten von politisch Verantwortlichen, fügte er hinzu. Generell betonte das Staatsoberhaupt: "Ich werde mit Argusaugen darüber wachen, dass die Handlungsfähigkeit und Integrität aller Institutionen unserer Republik gewährleistet ist".
Kurz will nicht zurücktreten
Kurz erklärte unterdessen, er halte an seinem Amt fest. Er und seine Partei seien "handlungsfähig und vor allem auch handlungswillig", sagte er in Reaktion auf Van der Bellens Äußerungen in einem kurzfristig angekündigten Statement im Wiener Kanzleramt.
Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien "schlicht und ergreifend falsch", so der Bundeskanzler. Er freue sich darauf, die Anschuldigungen in einem Verfahren gegen ihn zu widerlegen.
nob/ml/gri (dpa, afp)