Der Fisch, die Bürgerrechte und die City
3. Juli 2017Es war einer der seltenen schönen Momente im Reiche des Brexit. Triumphierend verkündete Umwelt- und Landwirtschaftsminister Michael Gove, dass Großbritannien jetzt endlich die Kontrolle über seinen Fisch wiedererlangen werde. Schade, dass die BBC an dieser Stelle nicht die patriotische Hymne 'Rule Britannia' einspielte, in der die Herrschaft der Briten über die Wellen so mitreißend besungen wird.
Der "Sunday Express" hatte schon die Schlagzeile dazu geliefert: "Kein fremdes Fischen in unseren Gewässern". Zwar ist das alte Fischereiabkommen von 1964 im wesentlichen längst in die gemeinsame EU-Fischerei-Politik eingegangen - aber egal. Es tat Michael Gove sichtlich gut, endlich einen "historischen Schritt" nach vorn anzukündigen: "Zum ersten Mal seit 50 Jahren können wir entscheiden, wer in unsere Gewässer einlaufen darf".
Auch wenn die Fischerei nur für 0,07 Prozent der britischen Wirtschaft steht: "Wir übernehmen wieder die Kontrolle", begeistert sich Gove. Leider gilt das zunächst nur für den Sechs- bis Zwölf-Meilen-Bereich vor der britischen Küste. Erst mit dem Vollzug des Brexit kann die volle 200-Meilen Zone von "feindlichen" Fischern befreit werden. Aber wenn es um KONTROLLE geht, muss man notfalls klein anfangen.
Offen blieb, ob sich die Fische jetzt ordentlich vor der britischen Küste sammeln werden, um sich dort von britischen Fischern fangen und dann zu Original britischen Fish und Chips verarbeiten lassen wollen. Aber das sind Details. Wie heißt es so treffend in Teil 4 von "Hitchhiker's Guide to the Galaxy": Bis dann, und danke für den Fisch!
Am Ende versuchte der Minister noch, den Zuschauern die besonderen Probleme mit Irland und ein bilaterales Fischereiabkommen namens "Voisinage" zu erläutern. Da aber übernahm Moderator Andrew Marr, dessen Sonntagssendung immer mehr zur Kanzel für die Brexit-Politik wird, wieder die Kontrolle über das Interview.
Bloß nicht nach Hause
Theresa Mays Vorschlag über die wechselseitigen Aufenthaltsrechte von Bürgern auf beiden Seiten des künftigen eisernen Brexit-Vorhangs war in Brüssel zu Boden gefallen wie ein Stein. Und je länger er dort liegt, desto größer wird die Wut der Betroffenen. Nicht nur EU-Bürger, die in Großbritannien leben, gehen auf die Barrikaden.
In der vergangenen Woche beklagten sich elf Organisationen von Exil-Briten aus Spanien, Deutschland und anderen EU-Ländern bei Michel Barniers Verhandlungsteam in Brüssel über ihre Lage. Selbst wenn ihr Verbleib in der neuen Heimat garantiert werde, verlören sie doch ihre Rechte als EU-Bürger. Sie könnten beispielsweise nicht mehr frei von Spanien nach Frankreich ziehen, sondern nur noch zurück ins Mutterland Großbritannien. Stimmt. So ein Brexit hat ziemlich viele unerfreuliche Folgen. Dagegen hilft nur ein politischer Umsturz in London.
Die City hat Angst
Einen Umsturz, nämlich der herrschenden harten Brexit-Doktrin, wünscht sich auch die City of London. Während sich die Regierung mit kleinen Fischen beschäftigt, geht im Finanzdistrikt Angst um. Die Unklarheit über die Strategie von UK-Unterhändler David Davis hält an. Deswegen nehmen die Banker ihr Schicksal jetzt selbst in die Hand: In dieser Woche reist eine Delegation nach Brüssel, um dort einen Vorschlag über ein Freihandelsabkommen für Banken zu machen, das Anerkennung der Regeln und wechselseitigen Zugang garantieren soll.
Die City-Vertreter haben ausgerechnet, dass der Verlust des Marktzugangs in die Eurozone britische Banken 15 Milliarden für die Umstrukturierung koste würde, und weitere 40 Milliarden für zusätzliche Kapitalanforderungen. Betroffen wären aber auch europäische Exporteure, die den Verkauf ihrer Güter nach Großbritannien über britische Banken abwickeln. Kredite könnten teurer werden, die reibungslose Abwicklung gefährdet sein.
Michel Barnier aber hat auf solche Vorstöße immer die gleiche Antwort: Erst verhandeln wir über die Scheidung, dann über das zukünftige Verhältnis. Und so weit ist man noch lange nicht. Unterdessen entstehen bei Londoner Banken erste Umzugspläne.
Am Ende
Ökonomen und andere Menschen sind inzwischen beunruhigt über den Einfluss des Brexit auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Die jüngsten Statistiken treiben nicht nur dem "Remain"-Lager die Tränen in die Augen:
Großbritannien steht inzwischen mit 0,2 Prozent und dem niedrigsten Wachstum der gesamten EU am Ende der Wirtschaftsentwicklung, Tendenz fallend. Sogar Italien schneidet besser ab, was in London als besondere Gemeinheit betrachtet wird.
Davids Mondfahrt
Chef-Brexiteer David Davis dagegen gilt als unbekümmerter Charakter, der sich von der Realität und ihren Problemen kaum abschrecken lässt. Aber nach seinem ersten Zusammentreffen mit dem Brüsseler Verhandlungsteam revidierte er doch seine Einschätzung: "Der Brexit wird so schwierig wie eine Mondlandung", räumte er ein.
"Die Mondlandung dauerte acht Jahre und Tausende der brillantesten Wissenschaftler und Ingenieure haben daran gearbeitet. Der Brexit hat zwei Jahre und David Davis." Autsch.