Brexit: Deutschland attraktiv für Investoren
31. Januar 2017Das Brexit-Votum und die in der Folge befürchteten Auswirkungen auf den Freihandel erhöhen die Attraktivität von Deutschland für Investoren. In einer Umfrage sahen 40 Prozent der ausländischen Firmen Deutschland als attraktiven Investitionsstandort, das waren zwei Prozentpunkte mehr als noch vor einem Jahr, wie aus einer Untersuchung der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) hervorgeht.
Für mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Firmen, die bislang in Großbritannien aktiv sind, wäre Deutschland ein bevorzugtes Ziel außerhalb des Vereinigten Königreichs. Allerdings warnt EY-Deutschlandchef Hubert Barth: "So erfreulich die steigende Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland ist - dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU viele deutsche Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen stellen wird."
Brexit wirkt schon jetzt
Für die Automobilindustrie beispielsweise stehe viel auf dem Spiel. Neue Handelshemmnisse über Zölle oder Vorschriften seien für viele Unternehmen eine Belastung. Die Auswirkungen des Brexit-Votums spüren knapp drei Viertel (71 Prozent) der Unternehmen schon jetzt, obwohl Großbritannien frühestens in zwei Jahren aus der Europäischen Union austreten wird. Bei etwa 28 Prozent sind die Gewinnmargen, also das was vom Umsatz übrig bleibt, geschrumpft, weil Importe wegen des niedrigen Pfunds-Kurses teuer geworden sind. 29 Prozent klagen über höhere Einkaufspreise vor Ort.
Frankfurt statt London?
Auch Londoner Banker suchen nach dem Brexit eine neue Heimat. Denn, verlässt Großbritannien wie angekündigt den EU-Binnenmarkt, hätten in London angesiedelte Banken ein Problem: Sie benötigen für Dienstleistungen wie Einlagen- und Kreditgeschäft in der Europäischen Union rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat. Treten die Briten aus (Brexit), müsste ein neues Standbein her - etwa eine Banklizenz in Deutschland.
Wer nach Deutschland will, muss sich aber an die Spielregeln der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) halten. Das machte die Bafin am Montag bei einem Treffen mit 50 Vertretern von Banken aus den USA, Großbritannien, Japan und Australien deutlich. Im Brexit-Fall würde sie strenge Maßstäbe an wechselwillige Auslandsbanken anlegen. "Es reicht nicht, einen Briefkasten anzuschrauben und eine Vertriebseinheit zu stationieren", betonte Peter Lutz, der stellvertretende Chef der Bafin. "Wir wollen, dass das Management der deutschen Tochter und ein angemessenes Risikomanagement hier angesiedelt werden", so Lutz.
Reges Interesse, keine Entscheidungen
Konkrete Anträge liegen der Bafin bisher nicht vor, es gebe aber reges Interesse vieler Institute, sagte Lutz. Bei Banken, die intensiver über eine Verlagerung von Geschäft nachdenken, rechnet die Bafin Ende des ersten Quartals oder Anfang des zweiten Quartals mit Entscheidungen. Denn die Finanzbranche stelle sich auf einen harten Brexit zum April 2019 ein - und bis für die Banken alle Formalien erfüllt und dann IT sowie Personal verlagert sind, dürfte es erfahrungsgemäß bis zu zwei Jahre dauern.
Optimisten glauben, dass in den nächsten Jahren mindestens 10.000 Jobs von der Themse an den Main verlagert werden. Doch um Banker aus London buhlen auch Paris, Madrid, Dublin, Luxemburg und Amsterdam. Bafin-Aufseher Lutz wollte sich auf Zahlen nicht festlegen, es sei derzeit "überhaupt nicht abzuschätzen", wie viele Institute und wie viele Mitarbeiter tatsächlich nach Deutschland kommen werden.
iw/ul (dpa)