Teixeira unter Druck
6. Januar 2012Der Druck auf Ricardo Teixeira, den Präsidenten des brasilianischen Fußballverbands CBF (Confederação Brasileira de Futebol) und Chef des Organisationskomitees für die WM 2014, wächst. Nicht nur der näher rückende Termin der Weltmeisterschaft bereitet Teixeira Sorge. Ende Dezember verfügte ein Schweizer Gericht die Öffnung von Akten über angebliche Schmiergeldzahlungen an die FIFA. Der Vorwurf: Die 2001 pleite gegangene Sportvermarktungsagentur ISL soll zwei ranghohe Mitglieder des Weltfußballverbands bestochen haben.
In den neunziger Jahren sollen etwa 140 Millionen Schweizer Franken (ca. 115 Millionen Euro) an Sportfunktionäre gezahlt worden sein. Ein Verfahren war jedoch eingestellt worden, nachdem die Hauptbeteiligten des Korruptionsskandals etwa neun Millionen Dollar gezahlt hatten. Auch die Namen der Beteiligten blieben damit unter Verschluss. Nach Informationen der BBC handelte es sich um Ricardo Teixeira und seinen brasilianischen Kollegen und Ex-Schwiegervater, den FIFA- Ehrenpräsidenten Joao Havelange.
Im Dezember 2011 schied Havelange - offiziell wegen gesundheitlicher Probleme - als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aus und kam damit wohl seinem Rausschmiss zuvor. Auch Teixeira ließ sich vorläufig bis Ende Januar von seinen Ämtern in Brasilien beurlauben. Viele glauben, dass er seinen endgültigen Rücktritt vorbereitet. Im vergangenen Jahr hatte FIFA-Präsident Joseph Blatter eine neue Ära der Transparenz angekündigt, die auch eine Offenlegung der Dokumente rund um die ISL-Affäre vorsah. Dann hatte die FIFA jedoch einen Rückzieher gemacht. Nach der Entscheidung des Schweizer Gerichts kündigte Blatter an, sich im Januar erneut mit dem Thema zu beschäftigen.
Anfang vom Ende
Teixeiras Karriere?Thomas Kistner, Sportjournalist der "Süddeutschen Zeitung", bewertet die Beurlaubung des brasilianischen Chef-Fußballfunktionärs als den Anfang vom Ende seiner Karriere: "FIFA-Präsident Joseph Blatter verkündete auf der Sitzung des Exekutivkomitees, dass Teixeira während des gesamten Januars beurlaubt sei. Teixeira hat gesundheitliche Probleme als Grund angegeben. Aber das scheint mir nur ein erstes Anzeichen dafür zu sein, dass er langsam von der Bildfläche verschwindet."
Kistner hat für seine Reportagen über Korruption im deutschen und internationalen Sport bereits verschiedene Preise gewonnen. Der Fall Teixeira falle aus dem Rahmen, sagt Kistner. "Die Beurlaubung des Präsidenten eines Fußballverbands und Direktors eines WM-Organisationskomitees ist eine sehr ungewöhnliche Maßnahme. Ich kann mich nicht erinnern, dass etwas Ähnliches in den letzten Jahren vorgekommen ist."
Der Experte für Sportpolitik glaubt, dass der ehemals allmächtige Ricardo Teixeira lange nicht mehr so unantastbar sei wie noch vor einigen Monaten. Die Korruptionsaffäre habe den seit 1989 amtierenden Brasilianer stark geschwächt: "Innerhalb des brasilianischen Fußballverbands gibt es Gerüchte, dass ein möglicher Nachfolger schon in den Startlöchern steht. Momentan gibt es einen großen internationalen Druck, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Teixeira zur Weltmeisterschaft 2014 immer noch an der Spitze des brasilianischen Fußballs steht."
Langsamer Rückzug
Nach den Worten Kistners bestätigte die Schweizer Justiz Zahlungen an zwei Firmen, die in einer direkten Verbindung zu Teixeira standen. "Es waren Summen von bis zu zehn Millionen Schweizer Franken. Ein enormer Betrag. Die vermeintlichen Dienste, die diese Zahlungen hätten rechtfertigen können, konnten nicht überzeugend nachgewiesen werden. Bei den Firmen handelte es sich offensichtlich um Briefkastenfirmen - ein Zeichen dafür, dass es sich um Bestechungsgelder handelte", so Kistner.
Die brasilianische Bundespolizei ermittelt gegen Teixeira wegen Korruption, Vetternwirtschaft und Steuerhinterziehung. Er beugt sich zunehmend dem Druck und hat in den vergangenen Monaten bereits einige Kompetenzen abgegeben. Im vergangenen November lud er den ehemaligen Präsidenten des brasilianischen Fußballvereins Corinthians, Andrés Sanchez, dazu ein, das Amt des Direktors der Fußballmannschaften des CBF zu übernehmen. Im Dezember berief er den Ex-Weltfußballspieler Ronaldo in den Aufsichtsrat des Organisationskomitees für die Fußball-WM 2014.
Traditionelle Nähe zu den Medien
Ricardo Teixeira regierte mehr als zwei Jahrzehnte als allmächtiger Herrscher des brasilianischen Fußballverbands CBF. Unterstützt wurde er dabei von einem System, das den Austausch von Gefälligkeiten mit Politikern und die strategische Kontrolle der lokalen Medien vermischte. "Die Medien sind in Brasilien für die heikle Lage verantwortlich", erklärt Thomas Kistner. "Es gibt das Medienunternehmen 'Rede Globo', den Sender mit den meisten Zuschauern in Brasilien. Er pflegt traditionell eine enge Beziehung zu Teixeira, vor allem wegen der Übertragungsrechte für die Fußballmeisterschaften."
Kampf gegen Korruption
Kistner sieht in einem möglichen Rücktritt Teixeiras eine große Chance. Er glaubt, dass die brasilianische Regierung unter Präsidentin Dilma Rousseff bis zum Start der WM 2014 die Möglichkeit hat, das "Haus aufzuräumen". Der brasilianische Fußball stecke tief im Korruptionsschlamm. "Jetzt bemüht man sich aber, die Korruption zu bekämpfen und es scheint, dass Präsidentin Rousseff diesbezüglich einen guten Job macht. In einer relativ kurzen Zeit wurden wegen Korruptionsverdacht bereits ein halbes Dutzend Minister entlassen." Auch der brasilianische Sportminister musste bereits seinen Hut nehmen.
Autor: Marcio Damasceno / Anna Pellacini
Redaktion: Iveta Ondruskova