"Bonn hilft Cuddalore" - tatsächlich?
17. Dezember 2009Der zwölfjährige Sabinath kann sich nicht mehr genau an den Tag erinnern, als der Tsunami sein Dorf im südindischen Distrikt Cuddalore überrollte. Er weiß nicht mehr, wer alles in den Fluten ums Leben kam, wie viele Häuser die Wassermassen mit sich rissen. Zu oft ist er in den vergangenen fünf Jahren darum gebeten worden, seine Geschichte zu erzählen, die er nun fast mechanisch abspult.
Eine Schule als Vorzeigeprojekt
Die Deutsche Welthungerhilfe hat mit ihrer lokalen Partnerorganisation "Life Help Centre for the Handicapped" die Schule in Mettupalayam gebaut, die Sabinath seit einiger Zeit besucht. Die Schule ist ein echtes Prunkstück. Die etwa 280 Kinder kommen aus fünfzehn stark vom Tsunami betroffenen Dörfern in der Umgebung und werden in Englisch unterrichtet, eine zusätzliche Qualifikation.
Etwa 800 Menschen kamen am 26. Dezember 2004 durch den Tsunami in Cuddalore und Umgebung ums Leben. Die Stadt Bonn ging daraufhin mit Cuddalore eine Städtepartnerschaft ein. Vor allem die moralische Unterstützung sei ein großartiges Beispiel für die deutsch-indische Freundschaft gewesen, erinnert sich der damalige Bezirksverwalter von Cuddalore, Gagandeep Singh Bedi: "Es war sehr rührend für uns zu sehen, dass tausende Kilometer entfernt von uns in Bonn die Menschen an uns gedacht und für uns gespendet haben."
Schnelle Hilfe statt sorgfältiger Planung
Doch nicht jede gut gemeinte Hilfe fand auch tatsächlich ihr Ziel in der Region. Wenige Tage nach dem Tsunami lagen auch im Distrikt Cuddalore Kleiderberge herum. Hosen, Röcke und T-Shirts – das ist nicht die Art von Kleidung, die die traditionsbewussten Fischer und ihre Frauen gewohnt sind. Später erhielten vor allem die Fischer, die es besonders schlimm erwischt hatte, gleich von mehreren Nichtregierungsorganisationen Boote und Netze. Denn die Hilfsorganisationen mussten schnell Erfolge vorweisen und zeigen dass sie die Spendengelder auch sinnvoll einsetzten. So kam es zu Dopplungen durch fehlende Abstimmung.
Dr. Arumugam Gurusamy, Leiter des Büros der Welthungerhilfe in Chennai, sagt, dass allein durch das Ausmaß der Katastrophe nicht nur die Behörden, sondern auch die Hilfsorganisationen viel Lehrgeld bezahlen mussten. Unter dem großen Druck vor Ort hätten einige Organisationen nicht immer das Motto Sorgfalt vor Schnelligkeit beachtet: "Für jede internationale Hilfsorganisation, die bisher noch nicht im Land gearbeitet hat, ist es wichtig eine Partnerorganisation vor Ort zu haben, denn die Partner kennen die Besonderheiten und Gegebenheiten vor Ort, die Umgebung und wie man damit umgehen muss." Wichtig seien auch die Verflechtungen der Mitarbeiter vor Ort, damit nachhaltige Entwicklung gewährleistet werden kann. "Und das dritte", sagt Gurusamy, "ist einfach Networking und nachhaltiges Implementieren.“
Der Tsunami als Chance
Ob Schwetzingen, Leipzig, Pirna oder eben auch Bonn - dutzende von deutschen Städten, Gemeinden und Einrichtungen halfen. Ingesamt wurden in den Krisenregionen mehr als 700 Projekte angestossen. In Indien traf der Tsunami größtenteils weniger entwickelte Landstriche. Gurusamy Arumugan gewinnt der Katastrophe trotz des großen Leid, die sie mit sich brachte, daher Positives ab: "Die Überlebenden haben jetzt eine Chance zur besseren Entwicklung", ist der Mitarbeiter der Welthungerhilfe überzeugt. "Ich bin mir zwar sicher, dass auch ohne den Tsunami Entwicklung und Wandel in den betroffenen Regionen möglich gewesen wäre, aber sicher nicht so schnell.“
Ohne die Unterstützung von Hilfsorganisationen ginge auch der 12-jährige Sabinath wohl nicht zur Schule. Denn Schulgebühren, Verpflegung und auch der Transport zur Schule werden für die mit eher bescheidenen Mitteln ausgestatteten Familien in der Region übernommen. Und Bildung ist einer der Schlüssel zur Selbsthilfe, denn nur wenige Hilfsorganisationen sind fünf Jahre nach dem Tsunami noch vor Ort.
Autorin: Priya Esselborn
Redaktion: Thomas Latschan