Bonn heute - Gewinner oder Verlierer
20. Juni 2011Als 1991 bekannt wurde, dass der Regierungssitz von Bonn nach Berlin verlegt wird, war das für viele Bonner eine Katastrophe. So mancher sah in seiner Stadt schon alle Lichter ausgehen. Doch heute, 20 Jahre nach dem Beschluss für den Umzug der Hauptstadt, ist das Bild im ehemaligen Regierungsviertel von Bonn ein buntes. Zahlreiche Unternehmen, Stiftungen und Forschungseinrichtungen haben sich hier niedergelassen. Peter Müller ist Ministerialdirektor im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Er hat die turbulenten Jahre in Bonn miterlebt.
"Bonn hat nicht geknatscht"
Und er findet, Bonn habe gute Rahmenbedingungen geschaffen, um den Wegzug der Regierung gut zu überstehen. "Bonn hat nicht geknatscht und gesagt, wie schlimm ist das doch alles", sagt Müller. Vielmehr sei man mit der neuen Situation optimistisch umgegangen, habe Brücken gebaut und aus der Situation wirklich das Beste herausgeholt.
Tatsächlich arbeiten heute mehr Menschen im Regierungsviertel als in den Tagen der Bonner Republik. Auch hat Bonn insgesamt mehr Arbeitsplätze und mehr Einwohner. Mit der Deutschen Telekom und der Deutschen Post haben sich große Unternehmen angesiedelt. Diese ziehen zahlreiche kleine Zulieferbetriebe an, die sich im Umfeld niederlassen. Die Regierung selbst ist nicht komplett nach Berlin gezogen, knapp 9000 Beamte arbeiten noch immer in Bonn. Das ist fast jeder zweite.
Viel Geld ist geflossen, um den Bonnern den Abschied vom Titel der Bundeshauptstadt leichter zu machen: Rund 1,4 Milliarden Euro stellte der Bund Bonn und der benachbarten Region Rhein-Sieg/Ahrweiler zur Verfügung. Außerdem darf Bonn sich nun zumindest noch Bundesstadt nennen, ein Titel, der in Deutschland einmalig ist. Die reichlichen Fördermittel des Bundes flossen zu einem großen Teil in die Wissenschaft und in Forschungseinrichtungen. Gut ausgebildete Absolventen und Forschungsperspektiven sollen Bonn für Unternehmen attraktiv machen.
Viel Geld für die Bundesstadt Bonn
Das größte Vorhaben war jedoch, Bonn zu einem Zentrum für internationale Zusammenarbeit auszubauen. Mit der Möglichkeit, das alte Regierungsviertel für internationale Organisationen zu nutzen, sei viel dafür getan worden, meint Peter Müller. Damit habe man sehr gute Rahmenbedingungen für die Organisationen geschaffen, die zudem nah beieinander lägen. Bonn habe einen richtig schönen Campus, so der Beamte.
Kern des UN-Campus sind das ehemalige Abgeordnetenhochhaus und weitere Bundestagseinrichtungen. Inzwischen haben sich 17 Organisationen der Vereinten Nationen in Bonn angesiedelt, darunter auch das UN-Klimasekretariat. Zum internationalen Flair der Stadt tragen zudem über 150 Nichtregierungsorganisationen bei.
Betrugsverdacht beim Prestigebau
Alles könnte also richtig schön sein, wäre da nicht das Debakel um das World Conference Center. Es sollte das Herzstück des UN-Campus werden. Doch seit 2009 ruhen die Bauarbeiten wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Politiker und Geschäftsleute wegen Betruges. Nun steht ein halbfertiger Bau in mitten des schönen Areals am Rhein. Für die Stadt Bonn eine Katastrophe, denn dieses Projekt sollte entscheidend zur Schärfung ihres Profils beitragen. Schließlich lassen sich nur mit einem Kongresszentrum große internationalen Konferenzen nach Bonn holen.
20 Jahre nach dem Umzugsbeschluss hat sich in der ehemaligen Bundeshauptstadt viel verändert. Ist Bonn nun Gewinner oder Verlierer des Umzugs? Michael Hirtner lebt seit 32 Jahren in Bonn und arbeitet dort in einem Ministerium. Er findet, dass die Lebensqualität gesunken sei. Wo Ministerien gegangen seien, kamen untergeordnete Behörden. Hier werde schlechter bezahlt. Man könne es am Sterben der edlen Geschäfte und edlen Gaststätten ablesen, so Hirtner. Es sei zwar jedes Geschäft vermietet. "Doch wo früher ein Edelladen war, ist jetzt ein Ramschladen," beklagt Hirtner.
Ramschläden statt Edelboutiquen?
Katja Petereit sieht das ganz anders: "Bonn ist absolut Gewinner." Die gebürtige Bonnerin lebte jahrelang in anderen Städten und Ländern und kam doch zurück nach Bonn, da man hier auch als Frau mit Kindern gute Arbeitsbedingungen habe. Sie findet ihre Stadt heute interessanter. Früher sei Bonn viel langweiliger gewesen, meint sie. Das habe ihrer Ansicht nach an den vielen Bundesbeamten gelegen, die alles gemütlich und homogener machten als es heute sei. Dafür sei Bonn heute viel bunter, heterogener, vielfältiger und dynamischer als damals, hat Katja Petereit beobachtet.
Bonn setzt auf sein internationales Profil und will dieses in Zukunft noch ausbauen. Auch weitere deutsche Einrichtungen aus dem Bereich der internationalen und Entwicklungszusammenarbeit sollen hier in den nächsten Jahren ihre Heimat finden.