Bombenterror in Bangladesch
22. August 2005Straßensperren, Durchsuchungen, Eliteeinheiten, die mit Spürhunden Bangladeschs Hauptstadt Dhaka durchstreifen und 135 Verhaftungen - die Regierung ist bemüht, Entschlossenheit zu demonstrieren, nachdem am Mittwoch (17.8.2005) eine beispiellose Anschlagsserie das Land erschütterte: Mehr als 400 Bomben explodierten in nahezu allen 64 Distrikten des Landes; zwei Menschen wurden getötet und rund 150 verletzt.
Die kleinen Sprengsätze sollten offenbar keinen großen Schaden anrichten, sondern vor allem Schlagkraft demonstrieren. An einigen Tatorten wurden Flugblätter der militanten islamistischen Gruppe "Jaamat-ul-Mujahideen Bangladesh" (JMB) gefunden, die Anfang des Jahres auf internationalen Druck hin verboten worden war. "Es ist an er Zeit, in Bangladesch die Scharia einzuführen", hieß es darin.
Doppelspiel der Regierung
Die Anschläge, die sich Stunden nach der Abreise von Premierministerin Khaleda Zia zu einem Staatsbesuch nach China ereigneten, müssten nicht unbedingt primär eine Warnung an die eigene Regierung gewesen sein, sagt Gareth Price, Südasien-Experte des britischen Thinktanks Chatham House. "Vielleicht war es auch eine Warnung an die internationale Gemeinschaft: 'Wir sind stark, wir sind überall im Land, also erwartet nicht von der Regierung, dass sie etwas gegen uns unternehmen kann.'" Dass die Flugblätter erstmals auch eine Warnung an Großbritannien und die USA enthielten, sich aus islamischen Ländern zurückzuziehen, stelle zusammen mit der riesigen Zahl der Anschläge sicher, dass sie im Westen wahrgenommen würden.
Ende Februar hatte Bangladeschs Regierungskoalition die JMB verboten, als die Geberländer in der Weltbank-Zentrale über eine Kürzung der Hilfen für das Land berieten, das zu den ärmsten der Welt zählt. Die Koalition um die nationalistische BNP war der EU-Forderung nicht nachgekommen, etwas gegen die zunehmenden Aktivitäten militanter Gruppen zu unternehmen und nach den Tätern zu fahnden, die im August 2004 einen Bombenanschlag auf die Oppositionsführerin Hasina Wajed verübt hatten, bei dem 30 ihrer Anhänger starben. Zwar sah sich Dhaka zum Handeln gezwungen, um die Kürzungen - zu denen es nie kam - abzuwenden. Während aber die JMB, die mehr als 100.000 Mitglieder haben will, verboten wurde, blieben andere Gruppen legal - darunter eine, die Verbindungen zu Al Kaida haben soll.
Anschläge gegen die Opposition
"Die militanten Gruppen florieren, weil die Regierung ihnen dies gestattet", sagt Charu Lata Hogg, Bangladesch-Expertin von Chatham House. Dies sei kein Zufall: Denn die BNP, die eine Islamisierung der der Gesellschaft vorantreibt, stütze sich in der Regierungskoalition auch auf die fundamentalistische Partei Jamaat-e-Islami Bangladesh (JIB). "Die JIB hat Verbindungen zur JMB unterhalten - auch nach deren Verbot", erklärt Logg.
Die BNP-Koalition benutze die Dschihad-Gruppen um ihre Macht abzusichern und politischen Gegnern zu schaden, sagt der renommierte indische Sicherheitsexperte B. Raman und verweist auf Anschläge auf Mitglieder der oppositionellen Awami League: "Die Regierung macht sich der Komplizenschaft schuldig, weil sie nichts dagegen unternimmt." Zudem seien Gruppen wie die JMB Bindeglied zwischen der Regierung und militanten Gruppen, die im Nordosten Indiens für die Unabhängigkeit kämpfen und Bangladesch als Rückzugsraum nutzten. Für den Geheimdienst sei die JMB ein Kanal, um die indischen Kämpfer - die selbst keineswegs islamistisch sind - mit Geld und Waffen zu versorgen, so der ehemalige indische Kabinettssekretär.
"Sie könnte, wenn sie wollte"
"Die Anschläge der JMB zeigen einmal mehr, dass Regierungen, die solche Kräfte benutzen, sie irgendwann nicht mehr kontrollieren können", sagt Raman. Dass sie eine Botschaft an die internationale Gemeinschaft waren, glaubt er nicht, weil in diesem Fall verstärkt diplomatische Missionen angegriffen worden wären: "Es ging darum, der Bevölkerung mitzuteilen: Wir sind trotz des Verbots noch immer stark und haben eine breite Unterstützung."
Wenn sie wollte, könnte Premierministerin Khaleda Zia die Strukturen der militanten Gruppen innerhalb weniger Monate zerstören, glaubt Raman. Anders als Pakistan, wo der militante Islamismus tief in Staat und Gesellschaft eingedrungen ist, lasse sich für solche Maßnahmen im vergleichsweise liberalen Bangladesch ein Konsens herstellen: "Die religiösen Extremisten mögen sehr entschlossen sein, aber sie sind immer noch eine kleine Minderheit."