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Blutegel im Currytopf

9. August 2006

Als "abscheuliche Beleidigung" hatte vor drei Jahren die Vertretung der Bangladeschi in Großbritannien den Bestseller "Brick Lane" von Monica Ali bezeichnet. Jetzt steht die Verfilmung an - und jede Menge Ärger.

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Die "Brick Lane" im Londoner "Banglatown"Bild: picture-alliance / dpa

Die Brick Lane im Osten Londons ist das Zentrum der Einwanderer aus Bangladesch. Die Straßenschilder sind zweisprachig, Restaurants bieten Curry-Gerichte an, in den Schaufenstern liegen traditionelle Saris. Die Straße in "Banglatown", wie der Stadtteil Tower Hamlets genannt wird, ist aber auch über London hinaus bekannt - durch Monica Alis Bestseller "Brick Lane" aus dem Jahr 2003. Mit 80.000 verkauften Exemplaren war das Buch auch in Deutschland ein Erfolg.

Muslime in London Jamme Masjid Moschee Brick Lane
Das Londoner East End - seit jeher ein Zufluchtsort für Vertriebene, Verfolgte und Flüchtlinge aus aller Welt.Bild: dpa - Bildfunk
Mit ihrem Erstlingsroman avancierte Ali im Handumdrehen zum Liebling der Medien, und das als "deeply moving story" angepriesene Buch wurde für fast jeden Literaturpreis vorgeschlagen. Folglich ließen auch die Anfragen der Filmindustrie nicht lange auf sich warten: Die Dreharbeiten haben begonnen und Ende Juli hätte am Ort gefilmt werden sollen: eben in der Brick Lane im Londoner East End - doch es regt sich Ärger.


"Sie hat uns beleidigt"

Das East End gilt seit jeher als eine der ärmsten Gegenden der britischen Hauptstadt. Seit Jahrhunderten schon siedeln sich hier Einwanderer an, die zu niedrigen Löhnen am Hafen oder in der Industrie schuften. Am meisten ist auf der Brick Lane am Wochenende los, wenn dort ein großer Markt stattfindet. Aber auch unter der Woche kommen inzwischen die Touristen und suchen einen Teil von Nazneens Welt, der Hauptfigur des Romans.

Die 19-jährige Nazneen kommt aus Bangladesch, um mit dem doppelt so alten Chanu, den sie noch nie gesehen hat, zwangsverheiratet zu werden. Das Buch schildert ihr Schicksal ebenso wie das Leben in der bengalischen Exil-Gemeinde. Mit "Brick Lane" wurde Ali gewissermaßen über Nacht zur Bestseller-Autorin. Der Debütroman brachte ihr zudem eine Nominierung für den renommierten "Booker Prize" ein.

Rufschädigende Blutegel
Überschwemmung in Bangladesch
Fühlen sich verunglimpft: BengalenBild: AP
Doch es gab auch jede Menge Kritik. Die Bewohner der Brick Lane fühlten sich ungerecht dargestellt und nannten das Buch eine "abscheuliche Beleidigung". Jetzt, bei der Verfilmung, wiederholt sich der Streit. Auf Anraten der Polizei entschloss sich die Produktionsgesellschaft Ruby Films bereits zum Rückzug und zur Suche nach einem anderen Drehort: Händler und Anwohner hatten gedroht, die Dreharbeiten mit Straßenblockaden und sonstigen Aktionen zu stören. Der Sprecher der "Campaign Against Monica Ali's Film 'Brick Lane'" hatte angekündigt, den Roman Alis öffentlich zu verbrennen. Gedreht wird nun anderswo, denn der Film soll wie geplant im Herbst 2007 in die Kinos kommen.

Die Anwohner ärgern sich vor allem darüber, dass Ali – Tochter einer Britin und eines Bengalen, geboren 1967 in Bangladesch, seit 1970 in Großbritannien lebend - ihr Leben "wie eine Fremde" schildert: "Sie ist keine von uns. Sie hat nicht mit uns gelebt. Sie weiß nichts über uns, aber sie hat uns beleidigt", sagte Abdus Salique, der Wortführer der Kampagne, der Tageszeitung "The Guardian". "Wir wollen keinen Film, der unsere Gemeinschaft herabsetzt."

Salman Rushdie fordert Dreh

Der mit britischem Pass in New York lebende Schriftsteller Salman Rushdie
Erfahrung mit unbequemen Themen: Salman RushdieBild: AP

Dabei geht es vor allem um die Sylheti, die in Großbritannien 95 Prozent der Immigranten aus Bangladesch ausmachen und die eben in Monica Alis Roman als ungebildet und engstirnig und als "dirty little monkeys" gehänselt werden. Sie zitieren eine Szene, in der einer bengalischen Frau beim Kochen ein Blutegel in den Currytopf fällt. "Was hat das für Folgen für unsere Geschäfte und unseren Ruf?", fragt Mohammed Tahir Ali, der Verwalter einer Moschee.

Monica Ali hingegen gibt sich gelassen: Es sei kindisch, die Meinungen ihrer Charaktere für die ihrigen zu halten, sagte die 38-Jährige der "Times". Unerwartete Rückendeckung bekam sie vom Schriftsteller Salman Rushdie: Er fordert zusammen mit anderen Autoren, den Film wie geplant in der Brick Lane zu drehen. Diejenigen, die "überreagiert" hätten, sollten "ihre Fehler eingestehen". "Es gibt in und um die Brick Lane keine große Aufregung um den Film", meint Rushdie. Einige Anwohner sehen das anders. Sie wollen weiter protestieren. (ina)