Kinostart für Sönke Wortmanns "Sommerfest"
29. Juni 2017Ein nicht mehr ganz so junger Mann steht auf einem Sommerfest ein wenig verloren herum und blickt sich um. "Das soll meine Heimat sein?", scheint er sich zu fragen. Um ihn herum tanzen die Leute, trinken, unterhalten sich. Der junge Mann spricht mit dem ein oder anderen Festgast - doch schnell wird deutlich, so richtig gehört er nicht dazu.
Es ist eine Szene aus Sönke Wortmanns neuem Film "Sommerfest", der die Filmhandlung und vielleicht auch die Biografie des Regisseurs auf den Punkt bringt. In "Sommerfest" erzählt Wortmann die Geschichte von Stefan Zöllner, der nach vielen Jahren zurück in seine Heimat kommt, das Ruhrgebiet. Hier hatte er sein Elternhaus, seine Familie, seine Freunde. Hier ist er zur Schule gegangen, hat sich erstmals verliebt.
Rückkehr ins Ruhrgebiet: "Sommerfest"
Irgendwann hat dieser Stefan Zöllner dann das Ruhrgebiet verlassen, ist nach München gegangen, um Schauspieler zu werden. Er ist dort zwar nur mäßig erfolgreich im Beruf, doch er ist dageblieben, ist nicht mehr zurückgekommen. Bis jetzt. Gerade ist sein Vater gestorben, Stefan muss zurück. Und er findet fast alles wieder so vor, wie er es damals verlassen hat, Freunde, Freundinnen, Orte und Plätze seiner Jugend.
Mehr erzählt Sönke Wortmanns Film "Sommerfest" eigentlich nicht, aber er tut das auf eine Art und Weise, die ungemein sympathisch ist, mit liebevollen Figurenzeichnungen, mit viel Gespür für Lokalkolorit, originellen Schauplätzen und einer Geschichte, die auch emotional berührt. Es ist die klassische Kinoerzählung eines Menschen, der nach langer Zeit in die Heimat zurückkehrt.
Wenn man so will, dann kann man "Sommerfest" auch als Rückkehr des Regisseurs Sönke Wortmann in seine filmische Heimat ansehen. 1959 in der Ruhrgebietsstadt Marl geboren, ist Wortmann irgendwann aufgebrochen, hat Nordrhein-Westfalen den Rücken gekehrt und ist nach München gegangen zum Studium an der Filmhochschule.
Wortmann begann mit hinreißenden kleinen Komödien
Wortmanns Abschlussfilm an der Hochschule "Drei D" sowie seine ersten beiden Kinofilme, "Allein unter Frauen" und "Kleine Haie", gaben Anfang der 1990er Jahre Anlass zu großen Hoffnungen. Hier schien ein Regisseur die Bühne zu betreten, der wunderbar leicht Geschichten erzählen konnte, sehr unterhaltsam, der ein gutes Auge für Schauspieler hatte und Timing. Eigenschaften, die nicht gerade typisch waren für das heimische damals oft verkopfte Kino.
Doch Wortmann wollte mehr. Er strebte die großen Budgets an, Stars, die aus Film und Fernsehen bekannt waren, die großen Geschichten. Wortmann drehte mit Bernd Eichinger und Til Schweiger "Der bewegte Mann" und mit Veronica Ferres "Das Superweib". Er versuchte sich in Hollywood, wo er mit Burt Reynolds, Tom Berenger und Rod Steiger einen Roman von Leon de Winter verfilmte.
Er überzog den legendären WM-Sieg der deutschen Fußballmannschaft von 1954 in "Das Wunder von Bern" mit einem verklärenden Zuckerguss. Er machte sich an eine Romanverfilmung von Donna Woolfolk Cross ("Die Päpstin") und an eine von Charlotte Roche ("Schoßgebete"). Zuletzt drehte er fürs Fernsehen mit großem Budget die aufwendige Arzt-Serie "Charité". Wortmann hatte Erfolg mit vielen seiner Filme, das Publikum stürmte regelrecht in manche Wortmann-Filme. Der Regisseur erarbeitete sich einen Ruf als zuverlässiger Filmemacher für populäre Stoffe mit Stars.
Flache Komödien, hohles Ausstattungskino
Zur sympathischen, beschwingten Leichtigkeit seiner ersten Filme hat Wortmann allerdings nie wieder zurückgefunden. Seinen späteren Filmen haftet stets etwas Pompöses an, etwas Besserwisserisches, seine Komik fiel meist brachial und klamottig aus. Wortmann selbst und seine Produzenten werden das natürlich anders sehen. Vor allem auch, weil diese Filme meist Geld einspielten.
Jetzt hat Sönke Wortmann allerdings wieder einen Film gedreht, in dem er zu seiner alten Leichtigkeit zurückgekehrt ist. "Sommerfest" ist eine Art Rückkehr zu den Wurzeln. Bei "Sommerfest" hat der Zuschauer nicht das Gefühl, hier erzähle jemand von etwas, was er nicht kennt. Hier kommen keine bewegten Männer und keine Superweiber auf die Leinwand, keine Fußball- und Kirchengötter. Hier wird lediglich vom Leben von ein paar ganz normalen Menschen erzählt.
Es ist wohl kein Zufall, dass Sönke Wortmann dies nach langer Zeit wieder einmal geglückt ist - ausgerechnet mit einem Film, der in seiner Heimat spielt.