BKA hatte detaillierten Amri-Bericht
15. Januar 2017Insgesamt 60 Einträge enthält das vertrauliche Papier, aus dem WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung (SZ) zitieren, über den Tunesier - bevor dieser den Anschlag an der Berliner Gedächntniskirche verübte.
Der Bericht listet Erkenntnisse der Polizei Nordrhein-Westfalens, Berlins sowie des Bundeskriminalamts (BKA) selbst auf. Demnach hatte Amri erklärt, Anschläge in Deutschland begehen zu wollen, außerdem habe er "fortgesetzt den Wunsch formuliert, nach Tunesien zurückzukehren", berichten die drei Medien. Der Bericht zeichne die Bemühungen der Polizei nach, Informationen über die wahre Identität Amris zu erlangen. Im Februar 2016 war der 24-jährige Tunesier von den Behörden in Nordrhein-Westfalen als Gefährder eingestuft worden. Amri wurde von Spezialkräften der Polizei observiert und auch abgehört. Seine Ausweisung scheiterte an fehlenden Personalunterlagen aus Tunesien.
Amri soll Drogen genommen und verkauft haben
Laut dem Bericht soll der spätere Attentäter zunächst "islamistisches Gedankengut" gepflegt haben. Dann aber sei Amri im "Drogenkleinsthandel" unterwegs gewesen, habe sich mit Konkurrenten aus dem Milieu geschlagen, selbst Kokain und Ecstasy konsumiert, seine religiöse Pflichten und Riten dagegen immer mehr vernachlässigt. Offenbar erlosch damit das Interesse der Behörden an ihm. Aus den BKA-Unterlagen gehe hervor, dass die Behörden einen Anschlag durch Amri für unwahrscheinlich hielten, berichten WDR, NDR und SZ.
Eine Fehleinschätzung: Am 19. Dezember steuerte Amri einen Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. 12 Menschen starben und mehr als 50 wurden verletzt. Wenige Tage später wurde der Tunesier bei einer Polizeikontrolle in Mailand erschossen.
Behördenfehler sollen aufgeklärt werden
Die Aufarbeitung des Anschlags wird nun den Bundestag beschäftigen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte bereits Fehler im Umgang der Behörden mit Amri eingeräumt und einen Bericht aller beteiligten Behörden angekündigt. In der kommenden Woche wollen nun das Parlamentarische Kontrollgremium und der Innenausschuss die bisher bekannten Fakten analysieren. Zur Aufklärung von möglichen Behördenpannen erwägen Union und SPD außerdem die Einsetzung eines Sonderermittlers.
Dabei scheinen CDU und CSU einen Untersuchungsausschuss zu favorisieren. Dieser sei für die Aufarbeitung besser geeignet als ein Sonderermittler, dessen Kompetenzen und Rechte völlig unklar seien, zitiert die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Unionsfraktion. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gab dagegen in der "Bild am Sonntag" zu bedenken, ein Sonderermittler könne einen ersten Bericht in sechs Wochen vorlegen. Ein Untersuchungsausschuss sei dagegen ein "monatelanges Verfahren".
cw/rb (dpa, afp, WDR)