Bitcoin: Gold der Zukunft oder fette Spekulationsblase?
26. Februar 2021Die monatelange Kursrally beim Bitcoin hat das Interesse institutioneller Anleger geweckt und Spekulationen angeheizt, dass die digitale Währung eines Tages weltweit Gold als "sicheren Hafen" ersetzen könnte. Doch die jüngste Volatilität hat die Skeptiker wieder auf den Plan gerufen, die seit langem vorhersagen, dass die Bitcoin-Blase kurz vor dem Platzen steht.
Vor einer Woche erreichte der Bitcoin ein neues Rekordhoch von 58.000 US-Dollar. Bis zum Freitagmorgen fiel der Kurs dann auf unter 45.000 US-Dollar - ein Minus von 25 Prozent auf Wochensicht. Der Kursrückgang folgte auf ein Wochenende, an dem der Tesla-Chef und neueste Bitcoin-Fan Elon Musk auf die scheinbar unaufhaltsame Rally mit einem Tweet reagierte, in dem er seine Bedenken mitteilte, dass die Kryptowährung überbewertet sein könnte.
Die Aufregung reichte jedenfalls aus, um Kritiker wie US-Finanzministerin Janet Yellen sowie Multimilliardär und Microsoft-Mitbegründer Bill Gates auf den Plan zu rufen. "Wenn Sie weniger Geld als Elon haben, denke ich, sollten Sie wahrscheinlich aufpassen", sagte Gates gegenüber der Finanznachrichtenagentur Bloomberg.
Durch die jüngsten Kurskapriolen fühlen sich Skeptiker und Fans gleichermaßen in ihren Voraussagen bestätigt. Sind Bitcoin und Co. also das Gold der Zukunft oder nur das Vehikel für eine gigantische Spekulationsblase? Was sagt die Vergangenheit über die Zukunft der Kryptowärung aus?
Gold ist immer noch die Nummer Eins
Bitcoin und Gold "sind nicht vergleichbar", oder nur in dem Sinne, dass sie beide Tauschmittel sind, sagt Bernd-Stefan Grewe, Professor für Geschichtsdidaktik an der Universität Tübingen. Grewe ist Gold-Experte und Autor des Buches "Gold: eine Weltgeschichte".
Gold werde rund um den Globus akzeptiert und könne leicht in die jeweils lokale Währung umgetauscht werden, egal wo man sich befindet, erklärt Grewe gegenüber der DW.
Beim Bitcoin, sagt er, sei das nicht so. Für die digitale Münze müsse man jemanden finden, der sie in die Landeswährung umtauschen kann. Das Hauptproblem, und der Punkt, an dem es riskant werde, sei die Frage, zu welchem Kurs der Bitcoin umgewandelt wird.
"Etwa, wenn es eng wird und ich Bitcoins schnell in eine andere Währung umtauschen möchte. Wenn dann der Kurs fällt, wer garantiert mir, dass ich ihn zu dem Preis umtauschen kann, zu dem ich ihn verkaufen wollte?" fragt Grewe. Außerdem könne die Umwandlung von Bitcoins in Bargeld Tage dauern, fügt er hinzu.
Die sogenannten points of transaction, also die "Orte" an denen Transaktionen abgewickelt werden, spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht wie erfolgreich der Bitcoin in der Zukunft sein wird. Ein großer Teil des Hypes um den Bitcoin rührt daher, dass Handel und Umtausch der Kryptowährung weitgehend anonym sind. Jeder Bitcoin-Umtausch wird öffentlich auf dem Blockchain-Ledger aufgezeichnet, in einer Art digitalem Kassenbuch, die jede Transaktion absichert. Die Identitäten hinter den digitalen Geldbörsen, den wallets, in die Bitcoins eingezahlt oder von denen sie ausgeben werden, sind aber anonym - eine Eigenschaft, die besonders attraktiv für Kriminelle ist.
Risiko für Kriminelle muss steigen
Trotzdem können Behörden immer noch Informationen an diesen Transaktionspunkten sammeln. "Die ursprüngliche Idee hinter dem Bitcoin war, dass man Transaktionen nicht zurückverfolgen kann und eine alternative Währung hat, die frei vom Einfluss der Zentralbanken ist. Das war vielleicht ein bisschen naiv", sagt Grewe. "Natürlich ist es im vitalen Interesse unseres gesamten Wirtschaftssystems, an bestimmten Stellen eine Kontrolle auszuüben und die Geldmenge zu überwachen. Und ich glaube, dass diese Kontrolle an dem Punkt stattfinden muss, wo Bitcoins in traditionelles Geld umgewandelt werden."
Mit dem zunehmenden öffentlichen Interesse und der Akzeptanz von Bitcoins wird somit wohl auch das Interesse von Juristen und Aufsichtsbehörden stärker geweckt werden.
"Sobald der Bitcoin sein System verlässt und in andere Wirtschaftskreisläufe eingespeist wird, kommt der Punkt, an dem das Risiko für Kriminelle steigt", sagt Grewe. "Staatliche Institutionen werden sicherlich ein Auge darauf haben - zumindest hoffe ich das."
Das könnte auch am Ruf des Bitcoin kratzen, das Inflation ihm nichts anhaben kann. "Wenn der Glaube an die Konvertierbarkeit verloren geht, dann wird auch das zusammenbrechen", glaubt Grewe. "Wie bei jeder anderen Währung auch, wird es eine enorme Inflation geben."
Blasen der Vergangenheit
So viel zur Goldtheorie. Aber was ist mit der befürchteten Spekulationsblase? Hat es in der Vergangenheit Blasen gegeben, die dem ähneln, was wir beim Bitcoin sehen?
"Die kurze Antwort ist nein", sagt Will Quinn, Dozent für Finanzen an der Queen's University Belfast in Nordirland. Quinn ist Co-Autor des Sachbuchs "Boom and Bust: A Global History of Financial Bubbles", einer Untersuchung historischer Spekulationsblasen, das im August 2020 erschienen ist.
"Der Bitcoin zeigt durchaus Elemente früherer Spekulationsblasen", sagt er gegenüber der DW. "Trotzdem ist er grundlegend neu und anders." Ähnlichkeiten sieht er aber beim Blick auf die Mississippi-Spekulationsblase von 1720, "ein groß angelegtes monetäres Experiment, das nie ganz aufgegangen ist", sagt Quinn.
Die Idee des schottischen Ökonomen John Law war ein "sehr, sehr bewusster Teil eines Plans zur Einführung von Papiergeld zum Kauf von Wertpapieren, der damals zum ersten Mal durchgeführt wurde", erklärt Quinn. "Wenn man zurückgeht und die Geschäftsbücher auswertet, kommt man einfach nicht um die Schlussfolgerung herum, dass die Kurse damals viel zu hoch waren."
Der Bitcoin ähnelt der Mississippi-Blase auch wegen des Aufkommens von Tether, einer digitalen Währung, die zum Bitcoin-Kauf verwendet wird. Tethers können über Handelsplattformen mit normalem Geld gekauft werden. Ihr Wert ist angeblich eins zu eins an den US-Dollar gekoppelt, was ihre Stabilität gewährleisten soll.
Oder doch nur ein Schneeball-System?
Am vergangenen Dienstag gaben die Behörden des US-Staates New York bekannt, dass zwei großen Unternehmen, die den Tether-Handel abwickeln, das nicht mehr dürfen. Zuvor hatte eine Untersuchung ergeben, dass sie über finanzielle Verluste und ihre unzureichenden Bargeldreserven "gelogen" hatten, um das wahre Risiko für Investoren, die Bitcoins kaufen wollten, zu verschleiern.
Die langfristigen Auswirkungen für den Bitcoin sind noch nicht abzusehen. Aber beim Blick auf den hohen Anteil von Bitcoins, die mit dem Transaktionsvehikel Tether gekauft werden, sehen Kritiker die Berichte über den Betrugsfall als den Anfang vom Ende.
Das Bitcoin-System ist so konzipiert, dass frühe Bitcoin-Schürfer großzügig mit Geldern ausbezahlt werden, die von späteren Anlegern investiert werden, erklärt Will Quinn. Das sei das Hauptmerkmal eines Schneeball-Systems. Eine weitere Ähnlichkeit besteht darin, dass frühe Anwender aggressiv neue Anwender rekrutieren. Es sei sogar so etwas wie eine verfeinerte Version eines Schneeball-Systems, fügt Quinn hinzu: Es gebe nämlich keinen zentralen Betreiber, der das Geld abschöpfen kann.
Also doch lieber Finger weg?
Was den Blick in die Zukunft angeht, glauben weder Quinn noch Grewe, dass irgendwann jeder mit Bitcoins handeln wird. "Ich persönlich erwarte schon seit drei Jahren, dass die Blase platzen wird", sagt Grewe. Für Quinn ist unter anderem das Transaktionslimit beim Bitcoin ein großes Hindernis für seine Akzeptanz. Mit Bitcoins können viel weniger Transaktionen pro Sekunde abgewickelt werden als es etwa der Kreditkarten-Konzern Visa kann.
Und weil es beim Bitcoin niemanden gibt, der das Sagen hat, gebe es keine Möglichkeit, Änderungen zu implementieren, sagt er. "Seine Steuerungs-Struktur ist darauf ausgelegt, das nichts verändert wird. Ich denke, man kann es an diesem Punkt als Blase bezeichnen", folgert Quinn. Bis vor kurzem hat sich der Finanz-Experte dagegen gewehrt, von einer Blase zu sprechen, weil noch immer relativ wenige mit Bitcoins handeln. "Aber mittlerweile gibt es eine Menge Interesse von Wiederverkäufern", sagt er. "Für mich sieht das einfach wie eine Blase aus."
Adaption aus dem Englischen von Thomas Kohlmann.