Bischöfin Jepsen erklärt Rücktritt
16. Juli 2010Auf einer Pressekonferenz in Hamburg sagte Jepsen am Freitag (16.07.2010), sie könne ihr Amt nicht mehr ausüben, weil ihre Glaubwürdigkeit angezweifelt werde. Sie erwarte, dass die Missbrauchsfälle in Ahrensberg und anderswo zügig aufgeklärt würden und "die Wahrheit ans Licht kommt", sagte Jepsen bei ihrem kurzen Auftritt. Ansonsten ging sie auf Kritik an ihrem Agieren in der Affäre nicht ein. Damit hat der Skandal um sexuellen Missbrauch von Jugendlichen durch Geistliche, der bislang vor allem die katholische Kirche erschüttert, auch die Protestanten erreicht.
Missbrauchsvorwürfe gegen Pastor
Zahlreiche Medien hatten Jepsen vorgehalten, sie habe auf Missbrauchsvorwürfe gegen einen Pastor im schleswig-holsteinischen Ahrensburg nicht angemessen reagiert. Der Mann soll in den 70er und 80er Jahren Jungen und Mädchen sexuell missbraucht haben. Unter den Opfern sollen auch Stiefsöhne des Priesters gewesen sein.
Die Bischöfin will von den Vorwürfen erst im Frühjahr 2010 erfahren haben. Sie sei nur über die Affäre des Pastors mit einer Frau informiert worden. "Das Wort Missbrauch ist nie gefallen, da wäre ich unruhig geworden", sagte sie in einem Interview. Am Freitag veröffentlichte das "Hamburger Abendblatt" die eidesstattliche Versicherung einer Zeugin, die Jepsen bei einer flüchtigen Begegnung während eines Kongresses 1999 in Lübeck über die Vorfälle informiert haben will.
Fälle strafrechtlich verjährt
Nach einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" hat die Kirchenleitung den Pastor 1999 aus der Ahrensburger Gemeinde abgezogen, die wahren Gründe aber verschwiegen. Bis Ende 2000 habe der Mann als Gefängnis-Seelsorger in der Jugendhaftanstalt Schleswig gearbeitet. Außerdem sei er als Religionslehrer an einem Gymnasium in Ahrensburg tätig gewesen, ohne dass die Schulleitung über die Verdachtsfälle informiert worden sei. 2001 ging der Mann in den Ruhestand. Erst seit März 2010 untersucht ein Kirchengericht die Missbrauchsvorwürfe gegen den ehemaligen Pastor. Der Fall wurde der Staatsanwaltschaft übergeben. Nach deren Auskunft sind die Vorgänge allerdings strafrechtlich verjährt.
Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider bedauerte den Rücktritt. In einem Brief an Jepsen würdigte er die Verdienste der Theologin und hob das "nimmermüde Engagement" Jepsens für die weltweite Mission und Ökumene und das Thema "Kirche und Israel" hervor. Zudem würdigte Schneider das Engagement Jepsens für Homosexuelle.
Sensationelle Wahl 1992
Jepsens Wahl zur Bischöfin im Jahr 1992 galt damals als eine Sensation: Sie war die weltweit die erste Frau, die bei einer lutherischen Bischofswahl siegte. 2002 wurde sie von der Kirchensynode für weitere zehn Jahre im Amt bestätigt. Jepsen wurde 1945 in Bad Segeberg geboren. Sie studierte nach dem Abitur Altphilologie und Theologie in Tübingen, Kiel und Marburg. Von 1972 bis 1990 war sie Pastorin im schleswig-holsteinischen Meldorf und Leck. 1991 übernahm sie als erste Frau in der inordelbischen Kirche das Amt einer Pröpstin.
Dritter Bischofsrücktritt
Jepsens Schritt ist bereits der dritte Bischofs-Rücktritt in Deutschland innerhalb weniger Monate. Ende Februar war die hannoversche Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, von allen kirchlichen Leitungsämtern zurückgetreten. Sie hatte angetrunken ein Auto gesteuert und war von der Polizei erwischt worden.
Ende April richtete der katholische Augsburger Bischof Walter Mixa ein Rücktrittsgesuch an Papst Benedikt XVI. Dem 69-Jährigen war vorgeworden worden, in seiner Zeit als Pfarrer Kinder geprügelt und Gelder veruntreut zu haben. Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Mixa wegen sexuellen Missbrauchs wurden allerdings eingestellt. Der Papst nahm den Rücktritt Anfang Mai an.
Autor: Michael Wehling (dpa,rtr,apn,adfp,kna,epd)
Redaktion: Reinhard Kleber