500 Jahre Reinheitsgebot
22. April 2016"Ganz besonders wollen wir, dass forthin in unseren Städten und Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen." So lautet die Formulierung, die als Bayerisches Reinheitsgebot Karriere gemacht hat und mittlerweile - zum "Deutschen Reinheitsgebot" mutiert - als weltweit anerkanntes Qualitätssiegel gilt. Der Passus war Teil einer Landordnung, die von den bayerischen Herzögen Wilhelm IV. und Ludwig X. am 23. April 1516 in Ingolstadt erlassen worden war, um die Verwaltung der einstigen bayerischen Teilherzogtümer zu harmonisieren.
Damals war Bier tatsächlich ein "Grundnahrungsmittel". Die hygienischen Zustände spotteten jeder Beschreibung, Trinkwasser war von Krankheitserregern durchsetzt. Beim Brauvorgang musste es allerdings abgekocht werden. Hinzu kommt: Hopfen wirkt antibakteriell - das damalige Bier war mit seinem im Vergleich zu heute wesentlich niedrigerem Alkoholgehalt ein verhältnismäßig "gesundes" Getränk. Selbstverständlich wurde es auch von Frauen und sogar Kindern konsumiert, den ganzen Tag.
Verbraucherschutz und ökonomische Interessen
Einerseits sorgten sich die Väter des ältesten bestehenden Lebensmittelgesetzes der Welt also um die Gesundheit ihrer Untertanen. Bis zur Verordnung waren Stechapfel, Bilsenkraut, Schlafmohn oder Ruß oder gar Holzspäne beliebte Zutaten beim Bierbrauen.
Aber natürlich spielte auch die ökonomische Seite eine wichtige Rolle. Eine Biersteuer wurde auf Gerste erhoben. Gleichzeitig durften wertvolle Brotgetreide wie Weizen und Roggen nicht zum Brauen genutzt werden, um Hungersnöte zu vermeiden.
Und es war der Beginn einer immer noch erfolgreichen Marketingstrategie: Nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier genießt bis heute ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal gegenüber der Konkurrenz.
Sonderbriefmarke zum Jubiläum
500 Jahre später lassen es die deutschen Brauer und Bierliebhaber krachen. Es wird kräftig gefeiert. Die Deutsche Post gibt zum Jubiläum des Reinheitsgebotes sogar eine Sonderbriefmarke heraus.
"Im Unterschied zu den Kollegen im Ausland benutzen deutsche Brauer eben nicht künstliche Aromen, Enzyme oder Konservierungsstoffe", betont Hans-Georg Eils, Präsident des Deutschen Brauer-Bunds.
Das deutsche Reinheitsgebot hat zahlreiche mittelalterliche Vorläufer - auch ein Beleg dafür, welch elementarer Bestandteil der Ernährung Bier schon damals in Deutschland war.
Je größer Bayern wurde, desto mehr verbreitete sich auch das Reinheitsgebot, andere Länder folgten der Regelung aus freien Stücken.
Reichsgesetz erst 1907
Ein Reichsgesetz jedoch kam erst 1907 zustande und dieses orientierte sich lediglich an der bayerischen Verordnung. Die wurde insofern etwas verändert, als dass neben Hopfen und Wasser auch Hefe und Malz (statt Gerste) verwendet werden durften. So ist es bis heute in anderen Bundesländern möglich, beim Brauen Zucker hinzuzufügen und das Produkt dennoch als Bier bezeichnen zu dürfen. Nur der Begriff "Reinheitsgebot" verbietet sich in solchen Fällen.
Noch in den 1950er Jahren begründete Bayern das Importverbot für Biere aus anderen Bundesländern und dem Ausland mit dem Reinheitsgebot. Als Deutschland Teil der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde, nutzten die deutschen Brauer gemeinsam das Reinheitsgebot, um den Import ausländischer Biere zu verhindern.
Erst eine Klage ausländischer Brauer vor dem Europäischen Gerichtshof zwang Deutschland, seinen Markt für ausländische Biere zu öffnen.
Deutsche Bierproduktion weltweit auf dem vierten Rang
Die UNESCO lehnte 2013 den Antrag ab, das Gebot als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen. Die Begründung: Die Bierproduktion in Deutschland sei doch mittlerweile stark industriell geprägt.
Der Beliebtheit des Getränks tat dies jedoch keinen Abbruch. Der Beleg: 2015 flossen 95 Millionen Hektoliter aus 1350 deutschen Brauereien durch die Kehlen durstiger Bierfreunde in aller Welt. Vor allem in China und den USA ist deutscher Gerstensaft beliebt. Unter den Braunationen findet sich Deutschland europaweit auf dem ersten Rang, mehr als 5500 Marken gibt es hierzulande. Weltweit jedoch liegen hinsichtlich der produzierten Menge die Chinesen vorn - gefolgt von den USA und Brasilien.