Ein Telefonat zum "Schicksal der Welt"
10. September 2021Erstmals seit sieben Monaten haben US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping wieder miteinander telefoniert. Vor dem Hintergrund anhaltender Spannungen zwischen den rivalisierenden Großmächten sprach das Weiße Haus von einer "breiten, strategischen Diskussion". Beide Präsidenten hätten "über Bereiche diskutiert, in denen unsere Interessen sich annähern, und über Bereiche, in denen unsere Interessen, Werte und Perspektiven auseinandergehen". Biden und Xi seien übereingekommen, "beide Problemkataloge offen und direkt anzugehen".
Weiter hieß es, der US-Präsident habe seinem chinesischen Kollegen klargemacht, dass die Vereinigten Staaten weiterhin bemüht seien, "verantwortlich mit dem Wettbewerb zwischen den USA und der Volksrepublik China umzugehen". Biden habe das Interesse der USA an Frieden, Stabilität und Wohlstand in der indo-pazifischen Region und der restlichen Welt unterstrichen. "Die zwei Führer diskutierten über die Verantwortung beider Länder dafür, dass der Wettbewerb nicht in einen Konflikt umschlägt."
"Ernste Schwierigkeiten"
Es war erst das zweite Telefongespräch der Staatschefs seit Bidens Amtsantritt im Januar. Schon unter dessen Vorgänger Donald Trump waren die größten Volkswirtschaften der Welt in einen Handelskonflikt mit gegenseitigen Strafzöllen geschlittert. Biden scheint die harte Linie Trumps gegenüber China in etlichen Punkten fortzusetzen; das Verhältnis beider Staaten ist auf einen Tiefpunkt seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1979 gefallen.
Hierfür gab Xi den Vereinigten Staaten in dem 90-minütigen Telefonat die Schuld. Washingtons Politik habe "ernste Schwierigkeiten" verursacht. Wie die Volksrepublik und die USA miteinander umgingen, sei wichtig für "das Schicksal der Welt, sagte der Parteichef. "Es ist die Frage des Jahrhunderts, die beide Länder beantworten müssen."
Streit gibt es über Pekings Territorialansprüche im Südchinesischen Meer und die Drohungen gegenüber dem demokratischen Taiwan. Nicht weniger tiefgreifend sind die Differenzen in Menschenrechtsfragen, vor allem mit Blick auf den Umgang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in Nordwestchina und die Unterdrückung der demokratischen Opposition in Hongkong.
Harte Hand in Hongkong
Während die Meldungen über das Telefonat beider Staatschefs eingingen, wurde bekannt, dass die Behörden in Hongkong gegen drei führende Mitglieder der Demokratiebewegung eine weitere Anklage erhoben haben. Die bereits wegen ihrer Rolle bei den prodemokratischen Demonstrationen inhaftierten Vizevorsitzenden der Hongkonger Allianz zur Unterstützung der patriotischen demokratischen Bewegungen in China, Albert Ho und Lee Cheuk-yan, sowie die am Dienstag festgenommene Rechtsanwältin Chow Hang-tung werden der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt. Das Vermögen der Gruppe in Höhe von 2,2 Millionen Hongkong-Dollar (umgerechnet 239.000 Euro) wurde eingefroren.
Die Allianz hatte früher das jährliche Gedenken in Hongkong an die Opfer der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in China am 4. Juni 1989 organisiert. Fünf führende Mitglieder, darunter Chow Hang-tung, waren diese Woche festgenommen worden, weil sie sich geweigert hatten, vertrauliches Datenmaterial über ihre Zusammenarbeit mit anderen Menschenrechtsgruppen herauszugeben. Die Allianz sah sich - wie viele andere zivilgesellschaftliche Organisationen - gezwungen, nach 32 Jahren ihre Selbstauflösung bekanntzugeben.
Grundlage des juristischen Vorgehens ist das umstrittene nationale Sicherheitsgesetz, das Festlandchina weitreichende Durchgriffsmöglichkeiten einräumt - und das die Bürgerrechte in Hongkong massiv beschneidet, obwohl diese bei der Rückgabe der früheren britischen Kronkolonie an Peking 1997 per Vertrag für 50 Jahre garantiert worden waren.
jj/haz (dpa, afp, rtr)