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Betrüger und Betrogene vom Balkan

1. Februar 2018

Zehntausende Menschen vom Westbalkan arbeiten in Deutschland schwarz. Viele nehmen prekäre Arbeitsbedingungen bewusst in Kauf, doch oft bleiben sie auch ohne Geld. Die betrügerische Branche der "Vermittler" blüht.

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Deutschland Schwarzarbeit in Hamburg
Viele Schwarzarbeiter kommen nach Deutschland aus Serbien, Bosnien/Herzegowina, Mazedonien, Kosovo und AlbanienBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Das Angebot, das Dino Mehic bekam, klang nach einem echten Gastarbeitertraum. Er solle nur 200 Euro für ein Zimmer überweisen und auf eigene Kosten nach Spiegelau in Bayern kommen. Dort, so wurde Dino zugesichert, warteten ein Arbeitsvisum und ein Job im IT-Sektor auf ihn. Der junge Mann aus Bosnien, zuhause arbeitslos, machte sich sofort auf dem Weg.

In Spiegelau sah plötzlich alles anders aus. Er musste in einen verkommenen Dorfhaus mit fünfzig Menschen aus Bosnien, Serbien und Kroatien leben, ein Liegeplatz in dem überfüllten Zimmer kostete plötzlich stolze 500 Euro monatlich, den versprochenen Job und das Visum gab es nicht. Dino befürchtete, dass er auf einer Baustelle als Schwarzarbeiter landen werde. Als der "Vermittler" dann auch noch seinen Pass haben wollte, kehrte der junge Bosnier Bayern den Rücken und fuhr zurück nach Bosnien.

Die Spuren führen auf den Balkan

Dino Mehic heißt eigentlich anders. Wie viele andere Schwarzarbeiter vom Westbalkan, wollte er nur mit der DW reden, wenn sein tatsächlicher Name ungenannt bleibt. Diese Menschen fühlen sich nicht nur gedemütigt, weil sie auf billige Tricks der Betrüger reingefallen und ohne Lohn geblieben sind. Jeder einzelne von ihnen hat Gesetze gebrochen und könnte in Deutschland hinter Gitter landen oder wenigstens Einreiseverbot bekommen. Viele haben auch Angst vor den Vermittlernetzwerken: über sie wird behauptet, sie seien gut organisiert und gefährlich.

Dass diese Befürchtung nicht aus der Luft gegriffen ist, bestätigte sich am Dienstag. Bei einer Großrazzia in Nordrhein-Westfalen wurden acht Personen verhaftet, die Scheinrechnungen für hunderte Bauunternehmen in Deutschland erstellt haben sollen. Durch die Geldwäsche hatten diese Unternehmen dann die Finanzmittel, um die Schwarzarbeiter zu engagieren. Dem Fiskus sollen so mindestens 35 Millionen Euro entzogen worden sein. Unter den Verhafteten sind drei Serben und ein Bosnier. Die Fahnder beschlagnahmten Waffen, darunter zwei automatische Armbrüste, sowie Bargeld und mehrere Fahrzeuge.

Deutschland Razzia gegen organisierte Schwarzarbeit
Razzia gegen organisierte Schwarzarbeit - auch Waffen wurden gefundenBild: picture-alliance/dpa/C. Seidel

Die Spuren der organisierten Kriminalität mit Schwarzarbeitern führen immer wieder nach Südosteuropa, insbesondere auf den Westbalkan. Der deutsche Zoll, für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständig, gibt ungern Statistiken preis. Die "Welt am Sonntag" zitierte aber schon im vergangenen August aus einem vertraulichen Bericht des Zolls: allein im ersten Halbjahr 2017 wurden 65.755 Verfahren gegen Schwarzarbeit eingeleitet. Die Dunkelziffer dürfte viel höher sein. Laut Bericht wird in Deutschland vor allem in der Baubranche und in der Gastronomie schwarz gearbeitet. Unter den zehn Ländern, aus den die meisten Schwarzarbeiter nach Deutschalnd kommen, sind auch fünf EU-Aspiranten vom Westbalkan: Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo und Albanien.

Die Drohung mit der Klage

Darko Sekulic (26) aus der serbischen Stadt Valjevo weiß eine Menge darüber zu erzählen. Über die slowenische Firma "Sluger" arbeitete er als Maler in Österreich und Deutschland - ohne Papiere. "Vier Betten in einem Container, dort mussten wir schlafen. Wir bekamen 50 Euro wöchentlich fürs Essen - das reichte bei weitem nicht. Ich hatte keinen Arbeitsvertrag. Wir hatten etwas unterschrieben, aber wer weiß was das war."

Als Darko seine Erfahrung auf Facebook veröffentlichte, meldeten sich andere Landesleute, die von derselben Firma betrogen worden waren. Die Betrüger drohten mit Gewalt, berichtet Darko, und deswegen meldete er den Fall bei der serbischen und slowenischen Polizei. "Ich werde auf Aufklärung beharren. Es gibt Zeugen, die alles wissen", sagte er der DW.

Der Fall liegt auch auf dem Tisch von Goran Zrnic. Der Präsident der "Delavska svetovalnica", einer slowenischen Organisation, die sich mit Arbeiterrecht beschäftigt, sagt, dass die Naivität der verzweifelten Arbeiter aus armen Balkanländern unglaublich groß sei. "Es gibt Leute, die mehrmals betrogen wurden und unsere Hilfe suchten. Diese Arbeiter sollten im eigenen und im Interesse ihrer Familien endlich verstehen, dass sie sich gut informieren müssen", so Zrnic gegenüber der DW.

Trotz wiederholter Versuche waren die Verantwortlichen bei "Sluger" nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Anders bei der Vermittlungsagentur "Fortuna Personal", die von mehreren Arbeitern, inklusive Dino Mehic, als "Betrugsmaschine" beschrieben wurde. Diese Agentur, in allen Westbalkanländern tätig, behauptet von sich im Kontakt mit "tausenden Arbeitgebern" zu sein. Man solle nur seinen Lebenslauf und Kontaktdaten hinterlassen - und schon sei ein Job im Ausland so gut wie sicher.

"'Fortuna Personal' organisiert den Transport, bietet Sprachunterricht an und kümmert sich um die nötigen Dokumente", schreibt Sanja Kovac, die in Sozialnetzwerken für diese Firma wirbt und angeblich in Berlin lebt. Sie wird allerdings persönlich von mehreren Arbeitern als Betrügerin bezeichnet. Alles böse Gerüchte, die die Konkurrenz verbreite, antwortet Kovac auf Anfrage der DW über Facebook. "Ich warne euch, wir werden euch verklagen, wenn ihr den Namen unserer Firma erwähnt", schrieb Kovac.

"Der rohe Kapitalismus"

Die Firma bietet eine Kontaktplattform auch für Arbeiter aus Serbien, obwohl sie sich nicht auf der Liste der lizenzierten Jobvermittler für Ausland befindet. Auf der Liste, die vom serbischen Arbeitsministerium verifiziert wurde, befinden sich 105 Jobagenturen. "Die Bürger finden oft eine Beschäftigung im Ausland auf eigene Faust. Dann ist das Risiko groß, dass sie ohne vorgesehenen Schutz bleiben", antwortet das Ministerium auf Anfrage der DW.

Serbien Darko Sekulić (Sekulic) aus Valjevo
Darko Sekulic, einer von tausenden Schwarzarbeitern aus Serbien mit DeutschlanderfahrungBild: Sanja Kljajić

Der deutsche Zoll bekämpft Schwarzarbeit an sich, doch die betrogenen und unbezahlten Schwarzarbeiter sind sich selbst überlassen. "Wenn einer seinen Lohn nicht bekommt, was ich fürchterlich finde, muss er seinen Arbeitgeber verklagen. Da können wir nichts machen", sagt Klaus Salzsieder, Fachsprecher der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls. Auch wenn der Arbeiter schon abgeschoben sei - weil er keine Papiere hatte - könne er immer noch in Deutschland klagen.

Arbeitsrechtler Zrnic meint, dass weder die Balkanländer noch Deutschland genug gegen "Zuhälter" - so nennt er die Betrüger, die sich als Jobvermittler ausgeben - unternehmen. "Die Einen wollen nur eigene Leute exportieren, die Anderen wollen sie nur ausnutzen. Das ist roher Kapitalismus gekoppelt mit der Politik."

Der Serbe Darko Sekulic möchte trotzdem wieder nach Deutschland. Er arbeitet jetzt in einer Autowaschstraße in seiner Heimatstadt, mit dem Gehalt sei es schwer, seine Familie zu ernähren. Sein zweiter Versuch in Deutschland wird aber legal sein, versichert Darko. "Jetzt besuche ich einen Sprachkurs und danach werde ich mich bewerben. Meine Frau und ich sind beide Garten- und Landschaftsbauer. Dafür soll es in Deutschland Nachfrage geben."