Beschwerden über Südosteuropa aus Den Haag
10. Februar 2005„Wie können wir der Ereignisse und des Völkermords in Srebrenica vor den Opfern gedenken, wenn wir nicht dazu fähig sind, die Hauptverantwortlichen Radovan Karadzic und Ratko Mladic zu fassen? Daher rufe ich die internationale Gemeinschaft dazu auf, alles Erforderliche zu unternehmen, um die beiden flüchtigen Angeklagten zu verhaften“, sagte del Ponte am 3. Februar in Brüssel. Sie habe mit Solana auch über die übrigen flüchtigen Angeklagten gesprochen. Sie erwarte, dass der flüchtige kroatische Ex-General Ante Gotovina von den kroatischen Behörden verhaftet werde, ebenso wie 16 weitere flüchtige Angeklagte aus der Region. Frau del Ponte informierte Solana über den Stand aller Anklagen vor dem Internationalen Strafgerichtshof ICTY. Sie wiederholte erneut, dass sie sehr darüber enttäuscht sei, dass sich Karadzic und Mladic noch auf der Flucht befänden.
Kein Fortschritt ohne Auslieferungen
Vor dem Treffen mit Solana nahmen die ICTY-Chefanklägerin del Ponte und der internationale Bosnien-Beauftragte, Paddy Ashdown, an einem Treffen der Kommission für die Implementierung des Friedens im Europäischen Rat teil. Hauptthema des Treffens war die Kooperation mit dem ICTY. Ashdown betonte, die Zusammenarbeit mit dem ICTY sei für Bosnien-Herzegowina das wichtigste Thema. Denn solange die Probleme mit der ICTY-Kooperation nicht ausgeräumt seien, gäbe es kaum Fortschritte in anderen Bereichen. Ashdown bestätigte, Carla del Ponte habe im Hinblick darauf, dass das Daytoner Friedensabkommen und das Srebrenica-Massaker schon fast zehn Jahre zurückliegen, sehr stark auf die Verhaftung mutmaßlicher Kriegsverbrecher gedrungen. Carla del Ponte sagte vor der Kommission, alle flüchtigen ICTY-Angeklagten – einschließlich Karadzic und Mladic – müssten sich vor dem ICTY in Den Haag einfinden. Vielleicht habe dieser Prozess bereits seinen Auftakt gehabt, als sich der vor dem ICTY angeklagte ehemalige stellvertretende Gefängnisdirektor von Foca, Savo Todovic, freiwillig gestellt habe. Dieser Prozess müsse indes fortgesetzt und vollendet werden, weil sich andernfalls das Land nicht in Richtung euro-atlantischer Integration bewegen könne – handle es sich dabei um die Partnerschaft für den Frieden der NATO, das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen oder die EU-Annäherung und –Aufnahme.
Bosnien-Herzegowina soll Kooperation im gesamten Land verbessern
Paddy Ashdown sagte, Belgrad müsse auf Banja Luka einwirken und es unterstützen: „Die Verantwortung liegt auf beiden Seiten. Die Hauptverantwortung trägt jedoch die Republika Srpska. Sarajevo spielt dabei auch eine Rolle. Es muss beispielsweise gewährleisten, dass die Grenzdienste ihre Pflicht erfüllen und die Grenzen schützen oder das landesweit operierende Kriminalamt, SIPA, und die Geheimdienste auf adäquate Art Informationen an die Behörden in der Republika Srpska weiterleiten. Zweifelsohne liegt die Hauptverantwortung an Banja Luka und der Republika Srpska, aber auch die übrigen tragen Verantwortung – ganz gewiss auch Belgrad“, so Ashdown. Er folgert daraus, dass auf gesamtstaatlicher Ebene in Bosnien-Herzegowina die Zusammenarbeit verbessert werden müsse, was die Behörden in der Republika Srpska einschließe.
Alen Legovic, Brüssel
DW-RADIO/Bosnisch, 3.2.2005, Fokus Ost-Südost