Beschwerden gegen Wahlergebnis in der Ukraine
30. März 2006Der Verlauf der Parlamentswahlen am 26. März und die Stimmenauszählung in Wahllokalen vieler Regionen seien massenweise von Verstößen begleitet gewesen. Der tatsächliche Wille der Bürger komme nicht zum Ausdruck, was sich deutlich auf das endgültige Wahlergebnis auswirke. So lauten die Erklärungen und Forderungen von mehr als zehn Parteien, die eine Wiederholung der Stimmenauszählung oder sogar die Annullierung der Parlamentswahl fordern. Die meisten der Parteien, die gegen das Wahlergebnis protestieren, gehören zu den Verlierern der Wahl, denen es nicht gelang, die 3-Prozent-Hürde zu überwinden. In den Chor der Kritiker reihten sich aber auch die Sozialistische Partei und der Block Julija Tymoschenko ein.
Unsere Ukraine: Wahlergebnis anerkennen
Premierminister Jurij Jechanurow erklärte im Zusammenhang mit den Forderungen der genannten Parteien, es gebe keinen Grund, Menschen zu Straßenprotesten aufzurufen. Das Bündnis „Unsere Ukraine“, deren Wahlliste Jechanurow anführte, fordert, das Wahlergebnis anzuerkennen, obwohl am 28. März die Regionalverbände des Bündnisses auf der Krim und im Gebiet Donezk eine Wiederholung der Stimmenauszählung in ihren Regionen gefordert hatten.
Fälschungen im Süden und Osten?
Die Partei der Industriellen und Unternehmer, die dem Bündnis „Unsere Ukraine“ angehört, forderte jedoch eine Wiederholung der Auszählung der Stimmen für die Wahl zum Krim-Parlament. Die Industriellen und Unternehmer sprachen von einer „beispiellos hohen Anzahl von Verstößen“. Auch die Sozialistische Partei der Ukraine erklärte, im Süden und Osten des Landes sowie auf der Krim sei versucht worden, die Wahlen zu fälschen. Ähnliche Beschwerden kamen auch vom Block Julija Tymoschenko. Der stellvertretende Leiter des Wahlstabs der Partei, Oleh Nadoscha, teilte am Mittwoch (29.3.) mit, in Donezk und Luhansk werde das Wahlergebnis verfälscht. Stimmen, die für den Tymoschenko-Block abgegeben worden seien, würden der „Partei der Regionen“ oder dem Block Natalija Witrenko zugesprochen.
Wahlkommission fordert Beweise
Der Leiter der Zentralen Wahlkommission der Ukraine, Jaroslaw Dawydowytsch, wies allerdings die Beschwerden aller Unzufriedenen zurück. Er sagte: „Das sind bis jetzt nur Worte geblieben. Seit drei Tagen läuft die Stimmenauszählung und niemand hat ein einziges Protokoll in die Zentrale Wahlkommission gebracht.“ Ihm zufolge gehören den Wahlkommissionen Vertreter verschiedener politischer Kräfte an. Über 200.000 Beobachter seien vor Ort gewesen. Niemand von ihnen habe einen Verstoß gemeldet. Dawydowytsch forderte die Parteien auf, konkrete Beweise vorzulegen.
Wählerkomitee: Totale Neu-Auszählung nicht notwendig
Forderungen nach einer Wiederholung der Stimmenauszählung würden bei jeder Wahl laut. Auch wenn es diesmal zu Verstößen und Fälschungen in einzelnen Wahllokalen gekommen sein soll, wäre deren Ausmaß nicht so groß, dass sie sich auf das Wahlergebnis auswirken könnten, sagte der Deutschen Welle der Pressesprecher des Wählerkomitees der Ukraine, Oleksandr Tschernenko. Ihm zufolge kann man Verstöße leicht entdecken, weil alle Angaben zu jedem Wahllokal auf der Internetseite der Zentralen Wahlkommission veröffentlicht würden. Deswegen könnten die Parteien, die über Kopien der Protokolle verfügten, diese mit den Angaben der Zentralen Wahlkommission vergleichen. Tschernenko sagte: „Eine totale Wiederholung der Stimmenauszählung wird es natürlich nicht geben, möglicherweise nur dort, wo die Angaben der Zentralen Wahlkommission von den Protokollkopien der Wahlbeobachter abweichen.“
Natalja Dudko, Oleksandr Sawyzkyj, Kiew
DW-RADIO/Ukrainisch, DW-RADIO/Russisch, 30.3.2006, Fokus Ost-Südost