Berlusconi übersteht Misstrauensvotum
15. Dezember 2010Der Misstrauensantrag der Opposition wurde am Dienstag (14.12.2010) in der Abgeordnetenkammer mit 314 zu 311 Stimmen nur äußerst knapp zurückgewiesen. Im Fall einer Niederlage hätte der in mehrere Skandale verwickelte Ministerpräsident Silvio Berlusconi zurücktreten müssen. Eine Neuwahl stand zur Diskussion.
Während und nach der Abstimmung im Parlament kam es in Rom zu heftigen Protesten gegen Berlusconi. Eine Gruppe von einigen hundert Demonstranten verwüstete bei Straßenschlachten mit der Polizei Teile des historischen Zentrums der Hauptstadt. Auch einige Fahrzeuge gingen in Flammen auf. Mehr als 100 Menschen erlitten Verletzungen.
Handgemenge im Abgeordnetenhaus
Selbst in der Abgeordnetenkammer drohte die Lage völlig außer Kontrolle zu geraten. Als eine Abgeordnete aus dem Lager des Berlusconi-Widersachers Gianfranco Fini für den 74-jährigen Ministerpräsidenten stimmte, kam es zu einem Handgemenge. Seit dem Bruch mit seinem langjährigen Weggefährten Fini besitzt Berlusconi in der Abgeordnetenkammer keine Mehrheit mehr. Der Senat, in dem er nicht auf Stimmen aus Finis Lager angewiesen ist, sprach dem umstrittenen Regierungschef dagegen erwartungsgemäß mit 162 zu 135 Stimmen das Vertrauen aus.
Mit den Abstimmungsergebnissen erlitt Berlusconis Widersacher eine herbe Niederlage. Fini hatte sich Ende Juli mit dem Regierungschef überworfen, die von ihm mitgegründete Regierungspartei Volk der Freiheit (PDL) verlassen und später die Partei Zukunft und Freiheit für Italien (FLI) gegründet. Wiederholt hatte er Berlusconi zum Rücktritt aufgefordert, um damit den Weg für eine neue Mitte-Rechts-Regierung freizumachen. Dieser lehnte jedoch strikt ab.
Wenig Hoffnung auf Stabilität
Trotz des Erfolges von Berlusconi werden die Aussichten auf jetzt stabilere Verhältnisse von politischen Beobachtern in Rom als gering eingeschätzt. Wegen der knappen Mehrheit gilt es als unwahrscheinlich, dass die Mitte-Rechts-Regierung die Reformen durchsetzen kann, die als entscheidend für die Überwindung der aktuellen Wirtschaftskrise angesehen werden. Selbst Innenminister Roberto Maroni von der rechtskonservativen Liga Nord brachte deshalb eine Neuwahl ins Gespräch.
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten auch die wegen der Euro-Krise alarmierten Finanzmärkte die Abstimmung in Italiens Hauptstadt. Eine längere Phase der Unsicherheit oder ein harter, kontroverser Wahlkampf könnten die Aufmerksamkeit auf die angespannte Finanzlage des südeuropäischen Landes lenken.
Berlusconis Aktienkurs im Plus
Mit einem Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gehört Italien zu den am höchsten verschuldeten Ländern der Welt. Eine restriktive Ausgabenpolitik und ein konservatives Bankenwesen, das sich in Boomzeiten nicht an Marktexzessen beteiligt hatte, haben bislang politische Erschütterungen wie in Griechenland und Irland verhindert. Immerhin: Nach Berlusconis Abstimmungssieg drehte der Aktienkurs der von seiner Familie beherrschten Mediengruppe Mediasat vier Prozent ins Plus.
Autoren: Gerd Winkelmann / Christian Walz (dpa, rtr, afp)
Redaktion: Dirk Eckert