1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gespaltene Öffentlichkeit

9. Oktober 2009

Die Aufhebung der Immunität von Silvio Berlusconi schlägt Wellen. Durch die Entscheidung des Gerichts könnte er jetzt zur Verantwortung gezogen werden. Im DW-WORLD.DE Interview ist Journalistin Octavia Brugger

https://p.dw.com/p/K2R1
Die italienische Journalistin Octavia Brugger
Italienische Journalistin Octavia BruggerBild: picture-alliance / dpa

DW-WORLD.DE: Berlusconi hat ja schon viele Attacken politisch überlebt. Wie hat er denn jetzt auf die Aberkennung seiner Immunität reagiert?

Octavia Brugger: Er hat reagiert wie er das immer tut, wenn er sehr wütend ist. Er hat alle als "Kommunisten" und "Subversive" beschimpft. Er hat das Urteil des Verfassungsgerichtes als politisches Urteil gegen ihn persönlich gerichtet bezeichnet und er hat den Staatspräsidenten als "einseitig" und "kommunistisch" beschimpft. Das ist die übliche Reaktion von Silvio Berlusconi, der ja eigentlich glaubt, er stehe über allen Institutionen und ihm dürfe niemand etwas anhaben, ihn dürfe niemand kritisieren.

Bringt dieses Urteil denn etwas Neues? Kann es ihn ernsthaft in Bedrängnis bringen?

Es kann ihn nicht in Bedrängnis bringen. Er hat nämlich schon angekündigt, dass er jetzt eine Justizreform verabschieden möchte. Eine Justizreform, die natürlich wieder so ein zugeschnittenes Gesetz sein wird, das auf seine beiden persönlichen Prozesse zugeschnitten sein wird. Darin werden einige Paragrafen sein, die ihn dann befreien werden. In der Vergangenheit hat er beispielsweise für gewisse Prozesse die Berufung einfach abgeschafft und hat sich so in mindestens zwei Verfahren gerettet. Das war aber schon in der Vergangenheit eines der vielen so genannten "ad personam Gesetze". Ich nehme an, er wird es in diesem Fall wieder genauso machen.

Da muss doch die Opposition erst recht auf die Barrikaden gehen, oder?

Das wird sie und das tut sie schon, nur ist die Opposition in Italien sehr, sehr schwach. Silvio Berlusconi hat sein Vorhaben verwirklicht. Er hat bei seinem Amtsantritt, vor ungefähr 18 Jahren, erklärt, er werde die Kommunisten und die Linken so schwächen, dass sie unbedeutend sein werden und das hat er schon fast erreicht. Mitte-Links ist zerstritten und zersplittert, zwar natürlich auch wütend und wird auf die Barrikaden gehen, aber de facto ist die Opposition derzeit so schwach, dass sie auf jeden Fall dem Mitte-Rechts-Bündnis von Silvio Berlusconi nicht das Wasser reichen kann. Das ist eigentlich eine Tragödie.

Wenn der Mann die Gesetzgebung so für sich in Anspruch nimmt wie Sie es erzählen, gibt es da überhaupt irgendjemand oder irgendetwas, was ihn stoppen kann, wenn es schon nicht das Verfassungsgericht ist?

Eigentlich kann ihn niemand stoppen solange er so einen großen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Natürlich ist eine Erklärung dafür, dass er auch die Medien in Italien kontrolliert und den breiten Massen eigentlich alles erzählen kann, was er will und sich immer wieder als Opfer hinstellen kann. Natürlich ist dem hinzuzufügen, dass die Italiener Silvio Berlusconi einfach mehrheitlich ganz toll finden. Zum Beispiel seine Art mit der Justiz umzugehen, der reichste Mann des Landes zu sein, dass er alles verachtet, sogar den Staat, er ist einfach mächtig. Das gefällt den Italienern und solange Silvio Berlusconi den Rückhalt in der Bevölkerung hat, wird es extrem schwierig sein, ihn von der Macht zu vertreiben.

Er hat es irgendwie auch immer wieder geschafft, er ist immer wieder zurückgekehrt zur Macht, aufgrund demokratischer Wahlen.

Genau das bedeutet eben, dass die Italiener ihn nach wie vor lieben. Deshab geben sie ihm ihre Stimme und finden ihn attraktiver als die Mitte-Links-Opposition. Natürlich gibt es auch dafür wieder Gründe: Silvio Berlusconi spricht einfach vielen Italienern aus dem Herzen, die den Staat nicht mögen, die keine Steuern zahlen wollen, eben weil sie diesen Staat schrecklich finden. Das alles verkörpert Silvio Berlusconi. Deshalb ist seine Verankerung in der Bevölkerung so stark und deshalb drohen auch seine Anhänger. Sie haben in Blogs, Telefonanrufen und in Faxen den Ministerpräsidenten darum gebeten, dass er ihnen bitte freie Hand ließe. Sie würden starke Mittel anwenden, auf die Straße gehen und mehr oder weniger einen Bürgerkrieg anzetteln, um ihn zu verteidigen. Im Moment nimmt es in Italien schon etwas beunruhigende Ausmaße an, was da jetzt passiert.

Das heißt, dieses Urteil spaltet die Öffentlichkeit?

In jedem Fall spaltet das Urteil die Öffentlichkeit. Es gibt trotz dieser ganz großen breiten Mehrheit für Silvio Berlusconi auch noch Demokraten, die sich das eben nicht bieten lassen wollen. Zum Beispiel die Verfassungsrichter, die Intellektuellen, aber auch Bürger, oder Unternehmer, Staatsangestellte, sie alle sind sehr besorgt und die haben ihrerseits auch gesagt, sie wollen jetzt demonstrieren, damit dieser Mann zurücktritt. Ich finde, das geht schon in die Richtung eines bürgerkriegsähnlichen Klimas, das sich aufbauscht und anbahnt.

Das Interview führte Jörg Brunsmann

Redaktion: Heidi Engels