Streit um Berlusconi-Besuch in Weißrussland
1. Dezember 2009Die Opposition ist entsetzt: Die Demokraten sprechen von irritierender Oberflächlichkeit, die Christdemokraten wollen ihn vor der Abgeordnetenkammer befragen: Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi macht derzeit mit seiner Außenpolitik Furore.
Mit seinem Besuch in Weißrussland, so der Vorwurf, habe ausgerechnet der Putin-Freund Berlusconi den weißrussischen Diktator Aleksandr Lukaschenko aus der verdienten internationalen Isolation geholt. Berlusconi hatte Weißrussland als erster westlicher Regierungschef seit 15 Jahren besucht: Der Besuch gilt das Aufwertung für das Regime von Lukaschenko, der gilt in vielen EU-Regierungen als der letzte europäische Zuchtmeister.
Ein Lob auf die Diktatur
Dem nicht genug: Berlusconi lobte in Minsk seinen Gastgeber über alle Maßen – mit Worten, die den tatsächlichen politischen Verhältnissen Hohn sprechen: "Ihnen alles Gute und ihrer Regierung. Und ihrem Volk, das Sie – wie ich weiß – liebt, was nicht zuletzt alle Wahlergebnisse beweisen, die ja unter all unseren Augen sind, und die wir alle kennen und wertschätzen." Dabei hatte gerade die EU bis zum vergangenen Jahr über Lukaschenko ein Einreiseverbot verhängt. Die Begründung: Massive Fälschung bei den Wahlen – vom brutalen Vorgehen gegen die Opposition ganz zu schweigen.
Mit Wahlmanipulationen kennt sich Berlusconi schließlich aus: Er sah sie nach seiner letzten Niederlage auch in Italien am Werke, obwohl seine Regierung für die Ausrichtung des Urnengangs im Frühjahr 2006 verantwortlich war und auch sein eigene Innenminister keinerlei Unregelmäßigkeiten erkennen konnte.
Eine Hand wäscht die andere?
Lukaschenko dankte Italien, aber auch dem Heiligen Stuhl für deren Wohltaten an weißrussischen Kindern und Jugendlichen, deren Familien vom Reaktorunfall im ukrainischen Tschernobyl geschädigt worden waren. Und er übergab Italiens Premier bislang unveröffentlichte Akten aus KGB-Archiven, aus denen italienische Familien mehr über das Schicksal von Angehörigen erfahren, die im Zweiten Weltkrieg in Weißrussland fielen oder aus der Kriegsgefangenschaft nicht wiederkehrten. Berlusconi bedankte sich im Namen dieser Familien. Über Adoptionen, so der Premier, seien auch Beziehungen der Anhänglichkeit und Liebe zwischen Familien beider Nationen entstanden.
Italien auf außenpolitischem Alleingang?
Sollte sich Berlusconi wider Erwarten vor dem Parlament zu seiner Weißrusslandreise äußern, wird es darauf ankommen, ob diese mit den EU-Partnern abgestimmt war. Womöglich wird er auf die italienische Linie gegenüber Libyen verweisen, dessen Herrscher inzwischen international auch wieder salonfähig ist. Hier wie dort geht es um Wirtschaft: Berlusconi hatte in Minsk freimütig bekannt, dass er in erster Linie den Außenhandel mit Weißrussland steigern möchte. Und versprach den baldigen Besuch italienischer Unternehmer.
Autor: Gregor Hoppe
Redaktion: Mareike Röwekamp