Berliner Pergamonaltar zieht um
10. November 2016Mit einer solchen Hiobsbotschaft hatte Herrmann Parzinger nicht gerechnet. Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sei denn auch "gelinde gesagt geschockt" gewesen, als ihn das - für den Bau verantwortliche Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung - über die Lage informierte: Die Sanierung des Pergamonmuseums kommt nicht voran und wird fast doppelt so teuer wie geplant. Die Kulturstadt Berlin, so viel steht fest, hat ein neues Sorgenkind.
Nun sollen Teile des Pergamonaltars in ein privat-finanziertes "Übergangsquartier" umziehen. Die Stuttgarter Wolff Gruppe will den temporären Ausstellungsbau direkt gegenüber der Museumsinsel auf eigene Kosten bauen und das Geld durch Eintritte wieder hereinbekommen. Damit erwarte die Besucher "ein wunderbares Erleben dessen, was den Pergamonaltar ausmacht", so Parzinger im Interview mit der Deutschen Welle.
Interimsbau zeigt Originalskulpturen
Nach seinen Worten soll der Interimsbau ab 2018 ein riesiges Panorama des Künstlers Yadegar Asisi sowie transportable Originalskulpturen des Altars zeigen, außerdem Abgüsse des Gigantenfries' und das genannte kleine Fries im Original, flankiert von einem Ausstellungsbereich. Außerdem wird der Pergamonaltar in einer 3-D-Variante zu sehen sein. Experten des Darmstädter Fraunhofer-Instituts hatten das 113 Meter lange Fries, bevor es eingelagert wurde, kurzerhand mit einem Laserscanner mit integrierter Digitalkamera erfasst und daraus ein dreidimensionales Modell errechnet.
"Verpackt und verhüllt steht der weltberühmte Pergamonaltar inmitten von Schutt und Staub. Ein Gewirr aus Stahlträgern und Stützen verläuft quer durch jenen Raum, der einmal Besucher in Scharen anlockte und das Haus zum meistbesuchten Museum Berlins machte", beschreibt ein Reporter des "Tagesspiegel" die prominente Baustelle auf der Berliner Museumsinsel. Vor drei Jahren haben Planer, Architekten, Denkmalschützer und Bauleute mit der Sanierung des Weltkulturerbes begonnen - bei laufendem Betrieb. Deshalb gilt die Sanierung auch als Operation am offenen Herzen.
Sanierungskosten verdoppeln sich fast
Gut 80 Jahre nach seiner Eröffnung und Jahrzehnte nach der massiven Beschädigung im Zweiten Weltkrieg schien die Generalsanierung des dreiflügeligen Gebäudes unausweichlich. Auch ein vierter Gebäudeflügel soll errichtet werden. Veranschlagt waren Baukosten von 261 Millionen Euro für den ersten Bauabschnitt. Erst im Jahr 2019 sollte der Pergamonsaal wieder offen stehen. Berlin verlor eine wichtige Attraktion. Nun aber kommt alles noch viel schlimmer: Die kalkulierten Kosten explodieren auf 477 Millionen Euro. Und die Wiederöffnung verschiebt sich um vier Jahre auf 2023.
Hauptgrund für Verteuerung und Zeitverzug sind offenbar zwei Pumpenhäuser im Baugrund. Die Pumpen dienten während der Erbauung zwischen 1910 und 1930 zum Absaugen des Grundwassers, seien danach jedoch offenbar nicht entfernt worden, so das Bundesbauministerium. Vor Beginn der Sanierung habe es keine Hinweise auf die Hindernisse gegeben. Auf Probebohrungen sei verzichtet worden, um den Museumsbetrieb nicht früher als nötig zu stören. Parzinger wies jetzt auch darauf hin, dass man bisher mit zehn Jahre alten Zahlen operiert habe. Allein 60 Millionen Euro der Verteuerung seien auf Baupreissteigerungen zurückzuführen.
Ziel: Rundgang durch die Architekturgeschichte
An den bisherigen Bauplänen will der Stiftungspräsident, wie auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters, nicht rütteln. So soll das bisher dreiflügelige Pergamonmuseum um einen vierten Flügel erweitert werden, um einen Rundgang durch die Architekturgeschichte zu ermöglichen.
Vorerst bleibt das Original des Pergamonaltars also den Blicken der Besucher verborgen. Der Altar versteckt sich hinter Metallplatten und wird mit aufwändigen Messvorrichtungen überwacht. Erst 2023 lässt sich das weltbekannte Museum voraussichtlich wieder in Gänze bestaunen. Derweil geht der Kampf der Giganten mit den griechischen Göttern weiter.