Berlinale mit Protest-Programm
8. Februar 2017"An diesem Präsidenten müssen wir uns nicht extra abarbeiten", hat Festivalchef Dieter Kosslick angekündigt. Und es ist klar, wer damit gemeint ist. Schließlich redet gerade die ganze Welt von Donald Trump. Da die Berlinale als explizit politisches Festival gilt, erwarten nun Viele, dass die Festspiele ganz im Zeichen Donald Trumps stehen könnten. Dass all die Filme, die in den kommenden Tagen laufen, unter dem Blickwinkel der Trump'schen Politik gedeutet werden.
Kosslick und sein Team wollen das vermeiden. Das wurde schon bei der Eröffnungs-Pressekonferenz deutlich, als niemand den Namen Trump in den Mund nahm. Man will dem ungezügelten Furor des US-Präsidenten keine weitere Bühne geben. "Unser Programm ist Protest genug", hat Kosslick postuliert und es stimmt: Sehr viele Filme der 67. Ausgabe des Festivals kreisen um Politik und Menschenrechte, um soziale Verwerfungen und die Folgen der Globalisierung. Diese Filme sprechen eine klare Sprache, geben Statements ab - und zwar gegen eine Politik der Ausgrenzung und des Hasses.
"Django" - einer von mehreren Künstlerfilmen der Berlinale
Das geht direkt mit dem Eröffnungsfilm los. Der französische Regiedebütant Étienne Comar schildert in "Django" die Jahre, die der berühmte Musiker Django Reinhardt im von den Nationalsozialisten besetzten Paris verbrachte. Django Reinhardt, gespielt von Reda Kateb, ist ein Star, beliebt bei der französischen Bevölkerung, sein Gypsy-Swing begeistert die Fans. Doch die Volksgruppe der Sinti, zu der auch Reinhardt gehört, wird von den Nazis verfolgt und in Konzentrationslager verschleppt. Eine Zeit lang schützt den Musiker seine Prominenz und Popularität. Doch die Nazis verlangen von ihm, in Deutschland auf Tournee zu gehen. Reinhardt muss sich einer Gewissensentscheidung stellen.
Ein Künstler, noch dazu Mitglied einer Minderheit, gegen Staat und Repression: "Django" ist ein Film, der einen klassischen Konflikt durchspielt. Den kann man sicher im Lichte der derzeitigen gesellschaftlichen Situation in vielen Ländern der Welt interpretieren - und vermutlich wird nicht wenigen Zuschauern beim Eröffnungsfilm der Name Trump in den Sinn kommen. Die Berlinale wird in den kommenden Tagen diesen Konflikt weiter durchspielen, in vielen Filmen und sicher auch bei Diskussionen am Rande des Festivaltrubels.
18 Filme stellen sich im Wettbewerb der Konkurrenz um den Goldenen und die Silbernen Bären. Mit Volker Schlöndorff, Thomas Arslan und Andres Veiel ist das deutsche Kino wieder stark vertreten. Die Nachwuchsreihe "Perspektive Deutsches Kino" wird eröffnet von "Back for Good" von der jungen Mia Spengler und zeigt eine andere Facette des Kinos: private Welten. Eine Mutter und zwei Töchter, die gleich mehrere Krisen und Konflikte durchlaufen - auch das ein Thema der Berlinale.
Blick in ferne Kino-Nationen
Doch das deutsche Filmfestival, das sich auch gerne mit dem Titel "größtes Publikumsfestival der Welt" schmückt, ist natürlich auch ein Forum des Weltkinos. Und das nicht nur im Wettbewerb. Die Sektion "Panorama" etwa wird eröffnet von einem Film aus Südafrika. In "The Wound" wirft Regisseur John Trengove einen Blick auf das alljährliche Beschneidungsritual der männlichen Xhosa und schickt seine Helden auf eine Reise, die von Machismo und Aggression, von Tradition und Moderne geprägt ist. Thema in diesem Film ist auch die Tabuisierung von Homosexualität in einer von Männlichkeitsritualen besetzten Gemeinschaft.
Das 47. Berlinale Forum ist neben dem Wettbewerb und der Sektion "Panorama" die größte Filmreihe der Berlinale. Sie wird 2017 von einem kanadischen Beitrag eröffnet. Wenn "Django" zurückblickt und die Themen Kunst und Politik vereint, "The Wound" einen Blick in unbekannte Kinoregionen wirft, so ist der Eröffnungsfilm des Forums "Werewolf" eine gute Ergänzung dazu. Die kanadische Filmemacherin Ashley McKenzie stellt ein junges Paar vor, das versucht sich aus dem elenden Kreislauf aus Drogen und Kleinkriminalität zu befreien. Junge Menschen in der Überflussgesellschaft des 21. Jahrhunderts zwischen Hoffnung und Pessimismus.
Buntes Programm, viele Sektionen, Handel mit der Ware Film
Darüber hinaus erwarten die Berlinale-Besucher die bewährten Programmsektionen "Generation", "Retrospektive", "Kulinarisches Kino" und "NATIVe". Die Filmhändler und Filmeinkäufer treffen sich wie jedes Jahr beim immer größer werdenden "Europäischen Filmmarkt". Die Regisseure der Zukunft erhoffen sich bei "Berlinale Talents" wertvolle Tipps von den anwesenden Regie-Profis und auch von Künstlern anderer Sparten, darunter der Verpackungs-Künstler Christo.
Die Berlinale ist aber auch ein Glamour-Festival, selbst wenn es nicht an die Strahlkraft von Cannes heranreichen kann. Doch die Liste der angekündigten Stars ist lang: Cécile de France und Penélope Cruz, Catherine Deneuve und Kristin Scott Thomas, Laura Linney, Hanna Schygulla und Nina Hoss vertreten unter anderem die Damenwelt. Bei den männlichen Stars werden erwartet: Richard Gere und Ethan Hawke, Cillian Murphy und Robert Pattinson, Stellan Skarsgård, Geoffrey Rush und Hugh Jackman, Moritz Bleibtreu, August Diehl und Bruno Ganz - um nur einige zu nennen. Der niederländische, Hollywood-erfahrene Regisseur Paul Verhoeven steht in diesem Jahr an der Spitze der Jury. Auf ihn wird es am Ende ankommen, wenn es heißt: "Der Goldene Bär der Berlinale geht an…"
Monika Grütters: "Frage nach dem Verhalten von Künstlern in einem autoritären System."
Zunächst aber erwarten die Zuschauer der 67. Berlinale knapp 400 neue Filme und wohl auch viele politische Diskussionen und Statements. Das Dichtmachen der Grenzen in den USA habe sehr direkte Auswirkungen auf das internationale Filmgeschäft und auf das Kulturleben in Deutschland, vermutete Kulturstaatsministerin Monika Grütters kurz vor Beginn des Festivals in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Selbstverständlich sei es, dass dieses Thema alle Künstler umtreiben werde, so Grütters. Auch der erstarkende Nationalismus in vielen Ländern der Welt sei eine Herausforderung für die Regisseurinnen und Regisseure. Grütters nannte dabei explizit Polen, Ungarn und die Türkei: "Deshalb freue ich mich besonders auf den Eröffnungsfilm 'Django', der die Frage nach dem Verhalten von Künstlern in einem autoritären System stellt," sagte die Kulturstaatsministerin. Mit dieser Freude ist sie nicht allein.